: Wer beherrscht die Medien?
Endlich abgenickt: Der größte Medienkonzern der Welt darf entstehen. Mit ein paar Auflagen, versteht sich
Über 40 Milliarden Mark Umsatz, rund 85.000 Mitarbeiter und ein Jahr zähe Verhandlungen mit den Kartellbehörden: Die Welt hat endlich ihren allergrößten Medienkonzern. Die Fusion von AOL und Time Warner hat aber nicht nur durch ihre schiere Größe mehr Gewicht als die vielen anderen Medienallianzen der jüngsten Zeit – von Universal-Seagram über Seagram-Vivendi bis zu den noch laufenden Verhandlungen von Bertelsmann mit dem Musikriesen EMI. Zum ersten Mal erzwingt hier ein Unternehmen der New Economy die Allianz mit einem klassischen Medienkonzern der Old Exconomy – und dann gleich mit der Nummer 1.
Branchen-Primus
26 Millionen Kunden hat America Online (AOL) in über 100 Ländern, zum Unternehmen gehören der Softwareentwickler Netscape und Onlinedienste wie AOL Europe und Compuserve. Time Warner, selbst erst 1989 aus der Fusion des Verlagsriesen Time Inc. mit dem Film-, Fernseh- und Musikkonzern Warner Brothers hervorgegangen, ist auf allen klassischen Mediengeschäftsfeldern aktiv: Der Konzern besitzt neben den angestammten Zeitschriften- und Buchverlagen heute TV-Sender und Kabelnetze, gehört zu den weltweit führenden Produzenten von Kinofilmen und Fernsehware, seine Warner Musik Group gehört zu den drei größten Musikkonzernen der Welt. 1996 schluckte Time Warner auch Ted Turners Kabel- und Nachrichtenimperium Turner Broadcasting System (TBS), das 1980 den Nachrichtenkanal CNN erfand.
Turner, heute nur noch einer von vielen Vicepresidents im Time-Warner-Verbund, gehört anscheinend zu den ersten Opfern der AOL-Fusion und muss nun seine eigenen Online-Aktivitäten schleunigst in Ordnung bringen.
Opfer bringen mussten alle Beteiligten an diesem Mega-Deal: „Wir konnten nicht erkennen, dass dieser Zusammenschluss im öffentlichen Interesse war, ohne bestimmte Auflagen zu erlassen, die die Öffentlichkeit schützen“, erklärte William Kennard in der Nacht zum Freitag. Was der Vorsitzende der US-Medienaufsicht Federal Communications Commission (FCC) da so verquast umschrieb, bedeutet vor allem für AOL bestimmte Einschränkungen: Die FCC genehmigte den Zusammenschluss mit der Auflage, dass der Onlineprovider die nächste Generation seiner Instant Messaging Services über das Netz von Time Warner auch für Konkurrenten öffnen muss. Dies umfasst unter anderem die Bereiche Videokonferenzen per Computer und interaktives Fernsehen.
Die EU-Kommission hatte die Fusion bereits im Oktober unter der Bedingung gebilligt, dass der neue Medienriese seine Beziehungen zum deutschen Bertelsmann-Konzern kappt. Damit sollte verhindert werden, dass AOL Time Warner eine beherrschende Stellung auf den neuen Märkten für die Musikverbreitung über Internet und softwaregestützte Musikabspielsysteme einnimmt.
Der bisherige AOL-Chef Steve Case als Verwaltungsratsvorsitzender des fusionierten Unternehmens und der frühere Time-Warner-Boss Jerry Levin als Spitzenmanager müssen jetzt beweisen, dass ihre Ziele erreicht werden: für 2001 ein Umsatzanstieg um 12 bis 15 Prozent auf mehr als 40 Milliarden Dollar, Kostenersparnisse von 1 Milliarde Dollar – und eine satte Gewinnsteigerung vor Zinsen und Steuern um rund 30 Prozent auf 11 Milliarden Dollar.
Klima-Umschwung
Dies wird angesichts des starken Rückgangs der US-Konjunktur, des dramatischen Kurssturzes der meisten Internetaktien, der zahlreichen Konkurse in der Branche sowie rückläufiger Werbeausgaben im Internet- und Medienbereich nicht einfach sein: Das finanzielle Klima hat sich stark verändert.
Möglicherweise werden die beiden für die Tagesgeschäfte zuständigen Macher Robert Warren Pittman, der bisherige AOL-Präsident, und Robert Parsons von Time Warner daher bei Entlassungen und anderen Sparmaßnahmen viel härter vorgehen müssen als bisher geplant, zumal im Zuge des Zusammenschlusses der beiden Großkonzerne zunächst erhebliche Kosten entstehen: Auf bis zu 5 Milliarden Dollar schätzt das Wirtschaftsmagazin Business Week diese fusionsbedingten Sonderbelastungen.
TAZ/AFP/DPA
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