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Das lange Warten auf ein Blatt Papier

■ Regenbogen fordert Arbeitsstab, der Schicksal von ZwangsarbeiterInnen nachforscht

Als Anton Michailowitsch Wusatij nach Deutschland kam, war er groß und kräftig. Ein Kerl wie geschaffen zum Arbeiten. Und Wusatij musste arbeiten. Die Nazis zwangen ihn dazu. Er musste an der Drehbank stehen, er musste schweißen, er musste Geschütze bauen, die dazu da waren, seine Landsleute umzubringen. Von 1942 bis 1945 leistete Wusatij Zwangsarbeit in Hamburg, nachdem er aus der Ukraine nach Deutschland verschleppt worden war. Heute ist er alt und krank, Deutschland hat er seit dem Krieg nicht wieder gesehen, und genauso wenig gesehen hat er bis heute eine Kopeke Entschädigung für seine erzwungene Arbeitskraft. Nicht dass er sich nicht drum bemüht hätte. Seit 1994 steht er im Schriftverkehr mit Hamburger Behörden, um die Bestätigung zu bekommen, dass er Zwangsarbeiter war. Bisher vergebens. Wusatij ist kein Einzelfall, ist die Regenbogen-Gruppe der Bürgerschaft überzeugt.

Wusatij konnte sich nicht mehr genau an den Namen der Hamburger Firma erinnern, die ihn für ihre Zwecke eingespannt hat: Er hatte in den Schreiben an die Hamburger Behörden, die Sozialbehörde und die Handelskammer, von einer Firma Büling gesprochen , meinte aber wohl die Firma Böhling. Diese kleine Abweichung reichte schon, um BAGS und Handelskammer achselzuckend mitteilen zu lassen: „Ein Unternehmen Büling ist im hiesigen Handelsregister nicht eingetragen und konnte auch nicht ermittelt werden.“ Jetzt hat Wusatij eine genaue Lagerskizze angefertigt und nach Deutschland geschickt, gereicht hat das immer noch nicht, um die erforderliche Bestätigung zu erhalten.

Für Regenbogen-Abgeordnete Julia Koppke und Regenbogen-Vorstandsmitglied Herma Römer wären solche peinlichen Verzögerungen vermeidbar, wenn es im Staatsarchiv eine Koordinationsstelle gäbe, die solchen Fällen intensiv nachforschen könnte. Koppke macht darauf aufmerksam, dass in den Hamburger Archiven zahlreiche Listen mit den Namen von ZwangsarbeiterInnen liegen, die bisher „vor allem aus Personalmangel“ nicht erschlossen worden wären. Das Archiv weist zwar darauf hin, dass es jeder ehemaligen ZwangsarbeiterIn frei stehe, sich dort nach Unterlagen zu erkundigen, jedoch müssen die dann, so Koppke, noch wissen, an welcher Straße das Lager lag, in dem sie untergebracht waren – „und wer erinnert sich nach fast 50 Jahren noch an fremde Straßennamen?“

Sina Demjanenko hat jeden Tag mit solchen Problemem zu tun. Leute, die hilfesuchend bei ihr vor der Tür stehen und nicht wissen, wie sie ihre Ansprüche belegen sollen. Die Ukrainerin kümmert sich in ihrer Heimat um solche Fälle, weil sie gut deutsch spricht und selber Tochter eines früheren Zwangsarbeiters ist. Mindestens 3000 Menschen, schätzt sie, warten allein auf der Krim noch auf ihre Unterlagen, mit denen sie Entschädigung einfordern könnten. Menschen, die in abgelegenen Dörfern leben, in denen noch nie jemand etwas vom Stiftungsfonds der deutschen Wirtschaft gehört hat, geschweige denn davon, dass man seine Ansprüche bis zum 11. April angemeldet haben muss – wer danach kommt, wird nicht mehr anerkannt. Dazu kommt, dass viele ehemalige ZwangsarbeiterInnen nach dem Krieg in der Stalinschen Sowjetunion veschwiegen, dass sie in deutschen Rüstungsbetrieben gearbeitet haben – um nicht in den Verdacht der Kollaboration zu geraten. Die haben es umso schwerer, heute in ihren Heimatländern ihre Zeit in der Zwangsarbeit zu belegen und sind daher auf die Unterlagen aus Deutschland angewiesen.

Anton Wusatij ist nach all den abschlägigen Bescheiden aus Deutschland verbittert geworden. „Er sagt, dass wir Deutschen immer noch die alten Faschisten geblieben sind“, sagt Herma Römer. In Bremen, so Koppke, gibt es im übrigen einen Arbeitsstab im Staatsarchiv für solche Nachforschungen. Dort werde versucht, alle Angaben der Betroffenen nachzuprüfen, und bei einer 50prozentigen Glaubwürdigkeit werde die Bescheinigung ausgestellt. Peter Ahrens

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