: Kleingärtner machen mobil gegen das Gespenst „espede“
■ SPD bekennt sich „wwweltweit“ zu den Kleingärten, die machen „Bremen erst richtig lebenswert“, sagt die Bausenatorin / Aber wer bedroht die Kleingärtner?
Ein Gespenst geht um in Bremen, es hört auf den Namen „espede“. Oder so ähnlich. Heute Abend wollen sich 770 Kleingärtner in der Uni zusammenrotten, sie wollen kämpfen, „bis zum Äußersten“, sagt der Anführer. Denn das Gespenst, so sagen die Kleingärtner, bedroht sie in ihrer Existenz: Technologiepark soll werden, wo sie heute noch ihre Idylle haben.
Dabei ist so ganz klar nicht, wer sich hinter der Maske „espede“ versteckt. Denn die Kleingärtner können alle Mächtigen zu ihren Verbündeten zählen. Bremens Wirtschaftssenator Josef Hattig sagt bei jeder Gelegenheit, dass er die Kleingärten ökologisch sehr wertvoll findet und eigentlich dagegen ist, den Technologiepark in die Kleingartenlandschaft in Schwachhausen hinein zu erweitern. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Jens Eckhoff findet das eigentlich auch. Die Grünen sind sowieso auf der Seite der Kleingärtner.
Und die SPD? Auch, ganz klar. Schaut man auf die Internet-Seite www.spd-bremen.de, dann sieht man dort Macht symbolisierende Bilder vom Rathaus und der Bürgerschaft und rechts darunter eine etwas unverständliche Karikatur eines in New York lebenden Zeichners, nach der der SPD die Mitglieder wegzulaufen scheinen. Damit können aber die Kleingärtner nicht gemeint sein, denn links neben der Zeichnung steht „Tipp: Bremen Plan lesen“, ein deutliches Bekenntnis: „In Bremen und Bremerhaven haben Kleingärten als innerstädtische Erholungsflächen und grüne Lungen schon seit Jahrzehnten eine besonders wichtige Rolle gespielt! Für große Teile der Bevölkerung stellen sie die einzige Möglichkeit dar, ihre Freizeit im eigenen Garten zu verbringen und eine ortsnahe Erholung im Grünen dauerhaft zu finden. Dieses wichtige Erholungsglied zwischen Wohnen und Freizeit muss auch in Zukunft gewahrt und weiterentwickelt werden!“ So weit der Bremen-Plan der SPD.
In der Parteizeitung Vorwärts hat sich im Januar die Bau-Senatorin Christine Wischer sich zur Stadtgestaltung geäußert („Bremen profitiert von der Lagegunst“) und u.a. zum Thema Kleingärten geschrieben: „Dieses sind wertvolle Naturräume und wichtige Naherholungsräume, die das positive Image der Stadt prägen und Bremen erst richtig lebenswert machen“, sie müssten „auf Dauer erhalten“ werden.
Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Jens Böhrnsen, hat ein Konzept „Technopolis“ entworfen: Der Technologiepark soll nicht als Stadt neben der Stadt entwickelt werden, sondern als Verknüpfung verschiedener Standorte in der Stadt. Böhrnsen hat dem Vorsitzenden aller Kleingarten-Vereine Bremens versichert, die Kleingärten in Schwachhausen würden nicht angetastet. „Wenn ein Fraktionsvorsitzender einer Partei das so sagt“, sagt SPD-Mitglied Hans-Ulrich Helms, „dann ist das für mich Evangelium.“
Auch für den Vorstand der Bremer SPD. Der Stadtbezirksvorsitzende hat sich mit 30 Spitzengenossen mit den Kleingärtnern getroffen und seine Solidarität dokumentiert. Eine Arbeitsgruppe gegen das Gespenst wurde gegründet.
Kaum zu glauben, wie die Kleingärtner sich dennoch bedroht fühlen. Was ist „espede“? An der Spitze des Bauressorts scheint das Gespenst seinen Sitz zu haben, dort liegt seit Wochen eine teuflische Skizze: Wo die 770 Kleingärtner sich selbst und ihre Obstbäume noch wähnen, sind längst Straßen und Bauflächen. Ein gespenstisches Papier. Nun will das Bauressort darüber mit den Betroffenen reden. „Mit uns kann man nicht über die Vernichtung von 770 Kleingärten reden“, sagt der Verbandspräsident Helms.
Kämpfen will er. Und sieht um sich herum nur Verbündete. Nur der SPD-Fraktionsvorsitzende, der hat sich „vornehm zurückgezogen“, beobachtet Helms. Kämpfen werden aber alle Kleingärtner Bremens. „Dieser Koalition ist kein Kleingarten mehr heilig“, sagt Detlev Murken, Helms Stellvertreter. Die Nächsten, die dran wären, sind die vom Stadtwerder. Die Vertrauensgrundlage zwischen Kleingärtnern und Stadtpolitik ist zerstört. Gerade hatte der Kleingarten-Verein auf die Kaemena-Wiese als Ersatzfläche für andernorts vertriebene Kleingärtner verzichtet, der Kleingärtner-Verband hatte zugestimmt, dass für die Erweiterung des Technologieparks 180 Gärten geräumt werden. Die Kleingärtner haben Ersatzflächen bekommen - just in dem Gebiet, das ein halbes Jahr später auf den Plänen schon wieder gestrichen ist. „Das ist das Perverse daran“, sagt Murken. Und es zeigt: Mit einem Gespenst kann man keine Verabredungen treffen.
Zumal es diesmal um die endgültige Vernichtung der Kleingärten geht: Ersatzflächen für 770 Kleingärten gibt es in ganz Schwachhausen nicht. Es gibt nur den Hinweis, man könne ja noch im Bürgerpark spazieren gehen – „eine Frechheit“, findet der Kleingärtner-Vize Murken. K.W.
„Mit uns nicht“, Betroffenen-Versammlung der Kleingärtner und ihrer Freunde am heutigen Montag, 15.1.2001, 19.30 Uhr, Hörsaalgebäude der Universität
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