piwik no script img

Ab nach Ibiza!

Mister und Miss Germany 2001 wurden im Neuköllner Hotel Estrel gekürt. Joe Cocker und Cher waren auch da

Diese Tortenschlacht war schon etwas ganz Besonderes. Das größte Hotel Deutschlands und Neuköllns (größer ist nur diese Pyramide in Las Vegas), elegant nach seinem Besitzer Eckehard Streletzki Estrel genannt, dessen 1.125 Zimmer mit Blick auf eine Alba-Schrottverladung irrerweise oft ausgebucht sind (dabei ist das Estrel nicht mal billig, Zimmer kosten ab 225 Mark), wurde Freitagabend zu einer Heimstatt der Fleischbeschauer. Mister und Miss Germany galt es in einer dreineinhalbstündigen Show per Krone (für die Dame) zu küren. Vorher aber hatten die 48 BewerberInnen (u. a. Miss und Mister T-Online) einen Marathonlauf mit festgefrorenem Gewinnerlächeln aufzuführen. Kurz vor zwölf konnte die 21-jährige Mirjana Bogojevic, nicht blond, endlich in Tränen ausbrechen.

Immerhin hatte sie soeben einen Ford Ka, eine einwöchige Reise nach Ibiza, ein Foto-Shooting fürs Ibiza Magazine, einen „Gourmet Urlaub“ in Südtirol und wahlweise eine Haarverlängerung oder -verdichtung durch Layout Hairdesign gewonnen. Ihr Kollege im Schönheitskampf für Deutschland in der Welt, besser im Universum, Thomas Köhler, 21, Zivi, vormaliger Mister Süddeutschland, gewann kein Auto, dafür aber gleich drei Reisen. Für die sechs Schönsten gab’s „Preise im Gesamtwert von 193.500 DM“, wie der Moderator Jörg Pilawa (Sat.1) verkünden durfte. Eine Doppelmagnumpulle Schampus von Egon Pollmann in Oldenburg gewannen beide Sieger.

Überhaupt, Oldenburg. Kennt sich jemand da aus? Gibt es in Oldenburg in Oldenburg (wie es bei der Bundesbahn heißt) tatsächlich eine Tangastraße? In dieser jedenfalls betreiben die Brüder Horst und Ralf Klemmer die Firma MGC –Miss Germany Corporation. Der Markt für Miss Germanys ist so umkämpft wie der für Boxmeister. Glücklich, wer sich (wie MGC) das Warenzeichen gesichert hat.

So richtig abfahren wollten die rund 2.200 Besucher allerdings auf all die glänzenden, eingeölten Hintern und Brüste nicht. Da konnten die jungen Frauen in beigen (!) Pumps und gelben Bikinis von Palm Beach Bademoden (für alle Wahlen geeignet) noch so eintrainiert auf die 30-köpfige Jury herablächeln und ihren Körper schwungvoll in die Waagschale werfen.

In dem riesigen Convention-Center des Estrel, ohne Stühle passen hier 6.000 Leute rein, war man vor allem darauf bedacht, möglichst viele Getränke zum 3-Gänge-Menü abzugreifen. Immerhin kostete die Karte 170 Mark. Journalisten wurden ausnahmsweise mal richtig knapp gehalten: kein Menü, kein Alk, nur Wasser und Cola aus 1 Liter Plastikflaschen.

Zwischen den meist recht verkrampft daherstaksenden Schönen spulte die MGC ein Showprogramm ab, das mit Höhepunkten wie dem tatsächlich recht kleinen „Mister Bonsai“ und seinem originally Mister-Germany-Song auftrumpfte. Auch einige Stars aus der Double-Show „Stars in Concert“, die, auch das gehört zu den Erfolgsgeheimnissen des Estrel, seit über drei Jahren läuft (demnächst kommen die „Beatles“), waren dabei. „Joe Cocker“ und „Cher“ sangen livehaftig vor der irgendwie merkwürdigen Miss-Kulisse mit den Zwiebeltürmen des Roten Platzes, „Joe Cocker“ hatte eine bessere Stimme als Joe Cocker selbst. Auch seine spastischen Handbewegungen waren perfekter.

Vor dem Klo war den ganzen Abend lang eine Schlange von supertoll aufgebrezelten Frauen, die mir teilweise leid taten, weil sie zwar zum Glück von allen Typen angestarrt wurden, aber für die Raumtemperatur entschieden zu wenig bedeckte Haut hatten.

Gegenüber dem Glasstudio von T-Online gab es einen großen Stand mit allen möglichen Algenprodukten. Während die Sieger des Abends im Internet chatten mussten, tranken wir einen gelblichen Algendrink. Der sieht zwar aus wie verdünnter Urin, schmeckt aber gar nicht mal so übel. Jedenfalls hilft er gegen Cellulitis, Bindegewebsschwäche und Übergewicht.

ANDREAS BECKER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen