Marokkanische Rochaden

MADRID taz ■ Die marokkanische Regierung hat im Konflikt um die drei verbotenen Wochenzeitungen Le Journal, Assahifa und Demain teilweise eingelenkt. Aboubakr Jamai, Herausgeber der beiden erstgenannten Blätter, wurde die Genehmigung erteilt, zwei neue Publikationen auf den Markt zu bringen. Am kommenden Wochenende sollen Le Journal Hebdomadaire und Assahifa Al Ousbouya erstmals erscheinen. Über den vom Demain-Herausgeber Ali Lmrabet eingereichten Antrag, ein Magazin unter dem Namen Demain Magazine gründen zu dürfen, wurde noch nicht entschieden.

Das Verbot der drei Blätter war Anfang Dezember ausgesprochen worden, nachdem Le Journal einen Brief von Mohamed Basri, einem der Helden der marokkanischen Unabhängigkeit, veröffentlicht hatte. Falls das Schreiben aus den 70er-Jahren an die damalige Leitung der Union der Sozialistischen Volkskräfte (USFP) echt ist, würde es belegen, dass führende Sozialisten – unter ihnen auch der heutige Premierminister Youssoufi– in einen gescheiterten Putsch gegen den im vergangenen Jahr verstorbenen König Hassan II. verwickelt waren. Le Journal wollte weitere Details nachschieben. Assahifa und Demain wollten das Thema ebenfalls aufgreifen. Alle drei wurden wegen „reaktionärer Verschwörung, um unsere Institutionen zu schwächen“, so der Premier, verboten. Jamai und Reporter ohne Grenzen (RSF) feiern die Entscheidung der Regierung als „Teilsieg“. Der Wiederzulassung waren Protestaktionen der unabhängigen marokkanischen Journalistengewerkschaft (SNPM) und ein Hungerstreik des Herausgebers Jamai vorangegangen. Jetzt droht Demain-Chef Lmbaret mit Hungerstreik, falls nicht umgehend über seinen Antrag entschieden wird. Sein Blatt ist zur Zeit nur im Internet einsehbar (www.samizdat.net/demain).

Indes bereitet die Regierung Youssoufi ein neues Pressegesetz vor, auf Grund dessen ein unliebsames Blatt nicht nur suspendiert, sondern ganz eingestellt werden kann, sofern darin enthaltene Artikel „fundamentale Interessen des Staates und der Monarchie gefährden“. Der junge König Mohamed VI. und Premierminister Youssoufi, die sich gerne als Reformer feiern lassen, versuchen damit die zaghafte Öffnung der Presselandschaft, die vor knapp drei Jahren, noch unter dem im Sommer 1999 verstorbenen König Hassan II., begann, rückgängig zu machen.

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