: Grüne wollen nicht zum Mond
Der Kanzler hält Gentechnik für wichtiger als die Mondlandung. Die Grünen sind skeptischer und wehren sich gegen die Pläne der neuen SPD-Ministerin
von PATRIK SCHWARZ
Die Gentechnik ist Winfried Hermann wichtig, und aus seinem Kummer macht er keinen Hehl. „Die Karten waren vorher besser für uns gemischt, keine Frage.“ Vorher – das war vor der Umbildung des Bundeskabinetts.
Wie Hermann, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Umweltausschusses, geht es derzeit mehreren grünen Bundestagsabgeordneten: Ihnen dämmert, dass die Grünen mit dem Abgang ihrer Gesundheitsministerin Andrea Fischer auch das Zukunftsthema Gentechnik verloren haben. Zuständig werden künftig zwei Sozialdemokratinnen sein, Ulla Schmidt als Ministerin und Gudrun Schaich-Walch als parlamentarische Staatssekretärin. Zum Verdruss der Grünen setzen die beiden in der Gentechnik auf einen Kurswechsel.
„Frau Schaich-Walch ist nicht so bedeutend, dass man vor ihr in Ehrfurcht erstarren müsste“, sagt Reinhard Loske, umweltpolitischer Sprecher der grünen Fraktion. Die kleine Bosheit ist kalkuliert: Schaich-Walch kündigte gestern an, das von Fischer für diesen Monat vorgesehene Fortpflanzungsmedizingesetz zu stoppen. Loske kontert gegenüber der taz: „Das Gesetz hat für uns weiterhin politische Priorität.“ So wird es auch in einer Vorlage stehen, die womöglich schon nächste Woche von der grünen Fraktion verabschiedet wird. Die Beunruhigung bei den Grünen speist sich freilich aus dem Wissen um Schaich-Walchs mächtige Stütze: Bundeskanzler Gerhard Schröder.
„Es ist schon erstaunlich“, wunderte sich der Kanzler bereits im Dezember, „als 1969 der erste Mensch den Mond betrat, war die Euphorie kaum zu beschreiben.“ Die Entzifferung des menschlichen Genoms habe dagegen eher verhaltene Reaktionen ausgelöst, bedauerte Schröder, obwohl das „für die Menschheit mit Sicherheit ein weit größerer Schritt als die Mondlandung“ war. Seit der Bundeskanzler im Dezember diese Gedanken in einem Zeitungsbeitrag ausbreitete, arbeitet die SPD zielstrebig auf eine wirtschaftsfreundlichere Genpolitik hin. „Der Kanzler will das an sich ziehen“, hat Loske beobachtet. „Die Entwicklung geht in Richtung Chancen, Chancen, Chancen“. Die Grünen würden „sehr energisch darauf achten, dass ethische Grundsätze nicht wirtschaftlichen Interessen unterworfen werden“.
An zwei Eckpfeilern von Andrea Fischers Engagement will allerdings nach Loskes Einschätzung auch der Kanzler bisher nicht rühren: an dem Verbot der Forschung an embryonalen Stammzellen sowie am Verbot von Gentests an Embryonen, die außerhalb des Körpers der Mutter gezeugt wurden, die so genannte Präimplantationsdiagnostik. Den Wechsel sieht Loske daher vor allem in der Rhetorik.
Winfried Hermann ist da pessimistischer. Er rät seiner Fraktion, sich eine „Konfliktstrategie“ zu überlegen. Eine Idee hat er dafür auch schon. Die Grünen hätten schließlich schmerzhaft lernen müssen, wie Gesetzentwürfe ihrer Minister von den SPD-Kollegen im Kabinett verändert wurden. „Das können wir jetzt umgekehrt genauso machen.“
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