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Löwenzahn sucht neue Wiese

Leben im Bauwagen: Peter Lustig, Held der Kinderserie „Löwenzahn“, muss umziehen. Auf dem Stellplatz in Kleinmachnow wird gebaut. Gesucht wird ein ökomäßiger Garten mit Vorstadtcharakter

von BETTINA WEGNER

Drehtag in Kleinmachnow. Es ist lausig kalt. Das Filmteam der ZDF-Kinderserie „Löwenzahn“ steht schlotternd am Set. Es filmt zum dritten Mal, wie Peter Lustig, der wohl bekannteste Bauwagenbewohner Deutschlands, in voller Wintermontur aus seinem Wagen klettert. Der Schornstein des kleinen Kanonenofens qualmt ordentlich, um den blaugestrichenen Wagen mit der großen rosa Dachterasse warm zu bekommen, in dem Peter Lustig in der Kindersendung „Löwenzahn“ lebt. Das Thema der neuen Folge ist „Winter – Wenn es dem Wasser zu kalt wird“. Erforscht werden soll alles, was auf naturwissenschaftlicher Ebene mit Wasser, Eis und Schnee zu tun hat. Und all das, was sonst noch so zumWinter dazu gehört. Skifahren zum Beispiel.

Es ist die erste Winterfolge, die in den 20 Jahren „Löwenzahn“-Produktion gedreht wird, und es wird gleichzeitig die letzte auf dem Brandenburger Grundstück sein, auf dem Peter Lustigs Bauwagen seit zehn Jahren steht. Der Fernsehmann mit der blauen Latzhose und der Nickelbrille muss nämlich mitsamt seinem rollenden Heim umziehen. Das 4.000 Quadratmeter große ökologisch charmant verwilderte Gartengrundstück an der Berliner Stadtgrenze soll bebaut werden. „Für die Produktionen ab Mai brauchen wir ein neues Grundstück“, sagt Jürgen von Kornatzki, der Produktionsleiter. Gesucht wird ein „ökomäßiger Obstgarten mit Vorstadtcharakter, also kein englischer Ziergarten“. Angebote aus dem Berliner Raum gibt es bereits, aber bisher hat das „Löwenzahn“-Team noch kein Grundstück näher begutachtet.

Es ist nicht Peter Lustigs erster Ortswechsel. Angefangen hat alles vor zwanzig Jahren auch mit einem Umzug. In der ersten Folge von „Löwenzahn“, das damals noch „Pusteblume“ hieß, musste Peter Lustig aus seiner Wohnung ausziehen. Nebenan sollte ein Flughafen gebaut werden, und auf den zu erwartenden Lärm hatte er keine Lust. Und um künftig dem neuerlichen Verlust heimatlichen Wohnraums schon im Vorfeld entgegenzuwirken, zog er diesmal in einen Bauwagen. Mit politischer Ideologie hatte das nichts zu tun, sagt er.

Trotzdem repräsentiert „Löwenzahn“ das markanteste Beispiel der Darstellung „alternativer Lebensformen“ im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Peter Lustig aber will weder Vorzeigealternativo noch Vorkämpfer aller Bauwagenbewohner sein. Und: Er ist kein Schauspieler. „Ich versuche einfach, einigermaßen authentisch zu sein. Die Kinder merken sowieso, wenn man ihnen was vormachen will.“ Dazu passt, dass Peter Lustig, der im wirklichen Leben tatsächlich Peter Willi Fritz Lustig heißt, eigentlich nur per Zufall zu seiner Rolle gekommen ist. Ursprünglich ist er gelernter Tonmeister, hat zwischendurch mal eine Kneipe gehabt und ist dann in einer „Notsituation“ am Set sprichwörtlich entdeckt worden.

„Wenn mich die Leute auf der Straße darauf ansprechen, dass ich ja auch privat eine blaue Latzhose und eine Nickelbrille trage, kann ich immer nur sagen: Nein, ich tue das eben auch im Fernsehen.“

Und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, auch wenn es im Anschluss an die aktuelle Produktion erst einmal Kofferpacken heißt, die Räder ölen und einen neuen Stellplatz suchen. Denn im Bauwagen bleibt Peter Lustig auf jeden Fall. Und damit ist er der erste und einzige Wagenbewohner, der es jährlich in die Wohnzimmer von einer halben Million gutbürgerlicher FernsehzuschauerInnen schafft – und seine Sendung wahrscheinlich für die Mehrheit der ZuschauerInnen die erste, einzige und vorurteilsfreie Begegnung mit der Idee des Wagenwohnens.

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