: Karriere statt Kaffee kochen
Praktika während des Studiums erleichtern den Einstieg in den Beruf. Ob man nur für Botengänge eingespannt wird oder tatsächlich etwas lernt, ist eine Frage der richtigen Vorbereitung
von HOLGER KLEMM
„Guten Morgen. Das Faxpapier ist alle. Geh doch eben mal irgendwo zwei Rollen kaufen.“ Dem jungen Mann, bis eben in Vorfreude auf den ersten Tag seines Praktikums im Redaktionsbüro, klappen die Mundwinkel nach unten. So hatte er sich die Begrüßung nicht vorgestellt. Eine Ahnung macht sich breit. Wenn das schon so anfängt – was kann er von den kommenden acht Wochen noch erwarten? Mit einer guten Beratung beim Praktikantenamt der Hochschule wäre das nicht passiert.
Die angehenden Ingenieure der Technischen Universität müssen sich keine großen Gedanken über ihr Praktikum machen. Steffen Groß von der TU Cottbus: „Bürojobs gibt es nur in extremen Ausnahmefällen. Und das Thema Kaffeekochen fällt bei uns völlig unter den Tisch.“ In Cottbus könne man sich vor Anfragen für Praktika kaum retten.
Gerade bei Personalengpässen greifen Firmen gern auf fortgeschrittene Studenten zurück. Außerordentlich hoch ist auch die Chance, dass sich aus einem Praktikum im Anschluss des Studiums ein fester Job ergibt. „Ingenieure, Medientechniker, Maschinenbauer und Elektrotechniker schreiben bei uns keine Bewerbungen mehr – sie bekommen Angebote.“ Natürlich gibt es einen Haken. Die Praktika liegen kaum vor Ort. Ganz überwiegend kommen die Anfragen aus Westdeutschland.
Regina Heinrich, Leiterin der Studienberatung der FH Potsdam, steckt ihren Verantwortungsbereich klar ab: „Wir geben den Studenten nur rechtliche und formale Hinweise.“ Die Inhalte sind Sache der Fachbereiche. Als gutes Beispiel für die Begleitung der Praktikanten nennt sie die Abteilung Sozialwesen. Bei anderen, besonders im gestalterischen Bereich, sei eine gute Stelle mit fachlicher Anleitung Glückssache. Die Hochschule hat keine juristischen Mittel dagegen; die Konsequenzen trägt der Student. „Wer die ganze Zeit nur Kaffee gekocht hat, besitzt kein Durchsetzungsvermögen, und wir können das Praktikum nicht anerkennen.“ Harte Sitten in Potsdam. Aber es habe in den vergangenen acht Jahren seit Bestehen der Hochschule bei den ein- bis zweisemestrigen Praktika noch keine größeren Probleme gegeben. Daher existieren auch keine offiziellen Schwarzbücher, in denen die Fachbereiche unseriöse Betriebe sammeln. Das passiert nur informell auf Nachfrage. Wer nur die Pflichtpraktika absolviert, kommt heutzutage nicht mehr weit. Studenten sollen sich breit und weiträumig umsehen. Zusätzliche Praktika – auch in Bereichen, in denen man nicht arbeiten will – sind sinnvoll.
Das vertritt man auch in der Berliner Humboldt-Universität. Praktika von sechs Monaten sind dort in Diplom- und Bachelorstudiengängen obligatorisch. Praktikumsberater Udo Kummerer ist zuständig für die Fachbereiche Agrar, Gartenbau und Fischwirtschaft. „Gewünscht von unserer Seite sind auch hier zwölf Monate mit dem Abschluss einer Praktikantenprüfung.“ Diese Prüfung wird in den neuen Ländern von den Landwirtschaftsministerien abgenommen und ist gleichzusetzen mit einer Berufsausbildung für Studenten. Kummerer gibt seinen Studenten den Tipp, dass sie sich anerkannte Ausbildungsbetriebe suchen. Dann gibt es auch die Gewähr der vollen Anerkennung. Informationen dazu geben Landwirtschaftsämter, Ministerien und Kammern – oder er persönlich. „Ich habe eine Liste der Praktikumsbetriebe. Wenn mir ein Student Mängel des Betriebes nennt, dann mache ich mir meine Anmerkungen.“ Zusätzlich prüfen die Kammern und Ministerien aller zwei Jahre die Betriebe, ob sie die Anerkennung behalten dürfen. Kummerer betont die Bedeutung des Praktikantenvertrages, in dem Aufgaben und Ziele festgelegt werden. Betriebe müssen solche Vereinbarungen unterschreiben, wenn sie vorgelegt werden. Und der Praktikant kann sich bei Problemen darauf berufen. Denn der Betrieb muss sich verpflichten, den Praktikanten mit allen Arbeitsabläufen und Abteilungen vertraut zu machen. Er soll die Arbeit kennen lernen, das heißt auch, dass er selbst wirksam wird und mithelfen kann. Eine Vergütung ist nicht Pflicht. Aber es sei immer ein Betrieb zu finden, der vergüte. Als Orientierung gilt die Höhe des Lehrlingsentgeltes.
Etwa 60 der rund 250 Studenten pro Jahr gehen ins Ausland – nach Neuseeland, Island, bis nach Kuba. Auslandspraktika werden von der EU gefördert. Das geht aber erst ab dem Hauptstudium mit dem Nachweis einer Sprachprüfung. Ein abschließender Tipp von Kummerer: „Immer vor Beginn eines Praktikums die Beratung nutzen!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen