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zwischen den rillenGangsta-Rap in x-ter Variante: Xzibit und Snoop Dogg

Warnung an den Hund

Man glaubt es kaum: Gangsta-Rap ist immer noch da. Ende der 80er war das Genre aufgetaucht, in Form von harten Jungs, die deprimierende Geschichten von Mord und Totschlag, von Statussymbolen und Frauen erzählten. Doch nicht nur das: Gangsta-Rap wird auch immer noch vom gleichen verwaltet – von Dr. Dre, dem vielleicht größten lebenden HipHop-Produzenten.

Dr. Dre gehört der Laden. Und Dre wendet immer noch das gleiche Prinzip an, um seine Schützlinge zu Superstars zu machen: Erst lässt er sie auf seinem eigenen Album als Gäste auftreten, dann schneidert er ihnen Alben auf den Leib. Das war schon so bei Warren G und bei Snoop Dogg. Heuer macht er das bei Eminem. Nachdem er den blonden Rapper nun zum größten und kontroversesten Popstar des Planeten gemacht hat, ist nun Xzibit dran. Wenn aber Eminem der große Crossover-Erfolg ist, so richtet sich Xzibit eher an das HipHop-Kernpublikum: schwarz, männlich, großstädtisch.

Sein Album „Restless“ ist Gangsta-Rap vom Reißbrett. Die Lyrics strotzen nur so von Sinnsprüchen aus dem Pimp-Poesiealbum. Da rühmt sich Xzibit, aus dem Nichts gekommen zu sein, es aber weit gebracht zu haben: „We came from dust, the X-odus, the hard to touch.“ Dann werden allgemeine Weisheiten gedroppt: „What good is money and the fame if you never respected?“ Und dann gibt es die ganz großen Fragen: „Who’s the bitch, who’s the mack? What’s worse / the niggaz that bring in the coke or smoke the crack?“ Zum Thema Bitches hat Xzibit übrigens eine neue Variante beizutragen: Er meint, seine Freundin solle sich nicht beschweren, dass er nie nach Hause komme – wenn er sich mit seinen zahllosen Frauen vergnüge, lerne er schließlich bei jeder von ihnen etwas dazu. Das nächste Stück ist dann ein Lied für seinen Sohn, wo sich Xzibit dafür entschuldigt, so viel außer Haus zu sein – aber es gehe ihm ja nur darum, Geld zu verdienen, um seinen Kindern einmal ein besseres Leben zu ermöglichen. So ist das eben als Gangsta-Rapper.

Um Verbrechen geht es weniger. Zwar behauptet Xzibit: „I’m stoned and vicious, lay your whole hood flat.“ Aber, sagt er: „Big Snoop Dogg told me / Do music and leave that other shit alone.“ Dass hier ausgerechnet Snoop Dogg als Kronzeuge angeführt wird, der Xzibit auf den rechten Pfad bringt, ist nicht ohne Ironie – aber auch Teil der Inszenierung, denn ohne Verweis auf eine Autorität wie Snoop Dogg würde die Platte womöglich gar nicht funktionieren. Anders als bei Eminem, der sein eigenes Drama aufführt und die Außenwelt nur als Feindesland braucht, muss Xzibit andere Instanzen aufbringen, um sich seiner Position zu versichern. Neben Snoop wird da noch KRS-One herangezogen und Erick Sermon – lauter amtliche Größen der Rapgeschichte, die zitiert werden, um dem Publikum das zu sagen, was es sonst vielleicht nicht glauben würde: dass Xzibit nämlich der Mann der Stunde ist.

Gangsta-Rap wird aber nicht nur immer noch von Dr. Dre produziert, Dr. Dre produziert auch immer noch die Gleichen: Auch am neuen Album von Snoop Dogg hatte er seine Finger. Und auch die Ästhetik zeigt Konstanz: „Tha Last Meal“ sieht genauso aus wie Snoops Debütalbum „Doggy Style“ – ein Bild von Snoop hinter einer Gittertür, gezeichnet, als wäre es vom Gemeinschaftskunde-Schulheft eines Neuntklässlers weggescannt. Die besten Stücke der Platte kommen zuerst – je länger sie läuft, desto schlechter wird sie. Und wie immer weiß man nicht, ob man das Exploitation-Konzept nun albern, kalkuliert oder abgeschmackt finden soll.

Erschienen ist „Tha Last Meal“ wieder bei Master P’s No Limit Records – jenem Laden, der eine Weile lang die Gangsta-Rap-Standards vorgab, während Dr. Dre mal eben Pause machte. Doch es dürfte die letzte Mahlzeit an Master P’s Tisch gewesen sein. Zum einen ist die Firma auf dem absteigenden Ast – sie hat einige ihrer Rapper an andere Labels verloren. Und zum anderen kommt demnächst Suge Knight aus dem Gefängnis, der Chef von Death Row Records.

Knight ist sehr schlecht auf Snoop zu sprechen, weil der ihm nicht die Treue gehalten hat. Auf der Homepage von Death Row Records verbreitet Suge Knight schon mal seine Warnung: 2001 werde „das Jahr der Angst“, heißt es da. Außerdem hört man das Geräusch von Schüssen – und einen Hund, der aufjault.

Für Snoop Dogg heißt das wohl, sich starke Partner zu suchen – denn Gangsta-Rap ist auch, aber eben nicht nur ein Spiel mit Inszenierungen. Mitunter hat das Spiel auch tödliche Konsequenzen. Aber da sich Snoops Lyrics fast nur darum drehen, wie genau er das Spiel kennt, kann man davon ausgehen, dass er weiß, wie er sich verhalten muss. TOBIAS RAPP

Xzibit: „Restless“ (Loud / Epic); Snoop Dogg: „Tha Last Meal“ (Priority Records / Virgin)

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