: O Cecilia!
■ Die großartige Frau Bartoli kam für ein einziges Deutschlandkonzert nach Bremen
Als Cecilia Bartoli im Dezember 1999 Arien von Antonio Vivaldi sang, bezeichnete ich das Konzert als eine Sternstunde absoluter Extraklasse. Wie soll man das noch steigern, wenn jetzt von demselben Niveau zu berichten ist? Die römische Mezzosopranistin kam in der Reihe „Glocke-Vocal“ zu einem einzigen Deutschland-Konzert nach Bremen – sie hatte sich begeistert über das bremische Klima und über die Akustik der Glocke geäußert. Immer bemüht sich Bartoli um ein künstlerisch wertvolles Programm, und das war außerordentlich: Joseph Haydns letzte, 1791 geschriebene Oper „L'Anima del Filosofo ossia Orfeo ed Euridice“. Es kennzeichnet Bartolis Konzerte, dass sie sich nicht Muckentruppen zum Begleiten sucht, sondern auch hier das Beste vom Besten gerade gut genug ist.
In diesem Fall waren es die „Academy of Ancient Music“ und der „Academy of Ancient Music Chorus“ unter der Leitung von Christopher Hogwood, die in der konzertanten Aufführung die Haydnschen Donner, Furien und Blitze ebenso bildhaft erklingen ließen wie die lyrischen Zaubereien der Liebes- und Sterbearien. Und es waren die hervorragenden Besetzungen der anderen Partien, allen voran Paul Giminez als Orpheus. Der stand mit seiner Stimmschönheit, der Perfektion seiner Atemführung und seiner inhaltlich begründeten Klanggebung Bartoli in nichts nach. Beiden gelang es ergreifend, das Leben über die Stimme auszuhorchen.
Haydns erst 1951 in Florenz uraufgeführte Partitur ist eine opera seria, das heißt, die Handlung wird übers Rezitativ weitergetrieben, Einhalt bieten die großen Affektarien, die Zeugnis geben von der damaligen Gesangskunst. Und Bartoli brilliert mit ihrer unglaublich kontrolliert geführten Stimme, mit der jedes Wort existenziell wird. Man kann noch so viel können, das Inangriffnehmen der Koloraturen ist immer eine Gratwanderung, von der selbst eine Bartoli nicht immer weiß, wie sie durchkommt. Umso mehr freut sie sich sichtbar, wenn es wieder einmal bestens geklappt hat: so besonders in der Arie des Genius, jener kleinen wichtigen Partie, die den Orpheus in der Unterwelt leitet und die sie übernahm, um als Sopran ganz andere Nuancen zeigen zu können. Hier werden die Koloraturen geradezu abgefeuert. Es gab viele Höhepunkte, herauszuheben sind die dissonanzen- und synkopengetränkte Schlussmusik zum Untergang der Bacchantinnen, die Sterbeszenen der Protagonisten und die Liebesduette, die eine solche Intimität ausstrahlten, dass man kaum wagte, zuzuhören. Ein großer Abend, der den unbekannten Opernkomponisten Haydn ein wenig rehabilitierte. Nicht vergessen werden dürfen die profilierten Akzente, die Albert Schagidullin als Kreon und Antonio Abete als Pluto setzten. Ute Schalz-Laurenze
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