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Teures Deutschland

Immer weniger Ausländer in Berlin stellen einen Antrag auf Einbürgerung. Für viele Familien sind die Gebühren von 500 Mark pro Kind zu hoch

von RICHARD ROTHER

Immer weniger Ausländer entschließen sich, einen Antrag auf Einbürgerung zu stellen. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Einbürgerungsanträge deutlich zurückgegangen. In den ersten neun Monaten 2000 wurden rund 8.400 Anträge gestellt; im gleichen Zeitraum 1999 waren es rund 9.400. Das ist ein Rückgang von zehn Prozent. Dabei hat das neue Staatsangehörigkeitsrecht, das seit dem 1. Januar 2000 gilt, die Möglichkeiten der Einbürgerung verbessert. Rund 250.000 nichtdeutsche Berliner haben Anspruch auf die deutsche Staatsangehörigkeit.

Die Bilanz mache klar, dass in der Berliner Einwanderungspolitik einiges nicht stimme, sagte gestern der migrationspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Hartwig Berger. Schließlich verzeichneten andere Städte Zuwächse bei den Einbürgerungsanträgen. In Hamburg und Bremen habe sich die Zahl verdoppelt.

Die Grünen machen die Einbürgerungspolitik von Innensenator Eckart Werthebach (CDU) für diese Entwicklung verantwortlich. Mit hohen Gebühren, einem rigiden Sprachtest und einer Regelanfrage beim Verfassungsschutz würden einbürgerungswillige Bürger abgeschreckt. Die verschärften Bestimmungen habe Werthebach mit dem bayrischen Innenminister Günther Beckstein (CSU) im Bundesrat durchgesetzt.

Ein Einbürgerungsantrag kostet 500 Mark – ein Vielfaches dessen, was einen Deutschen der Personalausweis kostet. Die 500 Mark sind auch für jedes einzubürgernde Kind zu entrichten, obwohl im Einbürgerungsverfahren nur einmal die Ansprüche der Eltern überprüft werden. Für eine Familie mit mehreren Kindern kommen schnell 2.000 Mark zusammen – angesichts der sozialen Lage vieler Ausländer ein happiger Betrag. Dass es auch anders geht, machen andere Großstädte vor. In Köln, Stuttgart oder Düsseldorf muss nach Angaben der Grünen nur für das erste Kind der volle Betrag gezahlt werden, jedes weitere kostet 100 Mark. Einen Versuch des Bezirks Kreuzberg, diesem Beispiel zu folgen, habe Werthebach per Erlass verhindert, so Berger.

Zudem habe der Innensenator darauf bestanden, dass die Verfassungstreue der Einbürgerungswilligen durch Regelanfragen beim Verfassungsschutz überprüft werde, kritisierte der Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu. „Diese Praxis ist diskriminierend.“ Inzwischen sei die Regelung „verschlimmbessert“ worden. Nur noch Menschen aus bestimmten Ländern wie der Türkei oder dem Iran würden Regelanfragen unterzogen.

Ein weiteres Einbürgerungshindernis sei der Sprachtest, so Berger. Damit habe Berlin eine besonders abschreckende Hürde aufgebaut. Falsch sei der Zwang zur schriftlichen Prüfung. Dieser schließe alle Menschen aus, die zwar deutsch sprechen, aber nicht lesen und schreiben könnten. Die mündlichen Tests bei Kindern unter sechs Jahren seien „völlig absurd“.

Ein Sprecher der Innenverwaltung bezeichnete gestern die Kritik der Grünen als „maßlos überzogen“. Bei den Regelungen zur Einbürgerung handele es sich um ein Bundesgesetz, das man nicht ändern könne. Der Sprecher verteidigte die bisherigen Sprachtests. „Die Beherrschung der Sprache ist das A und O.“ Wer der Sprache nicht mächtig sei, müsse auch im eigenen Interesse mit der Einbürgerung warten. Eine Werbekampagne für Einwanderung sei nicht die Aufgabe der Innenverwaltung.

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