Rumänische Flüsse erneut mit Zyanid verseucht

Das Umweltgift stammt vermutlich aus dem ungesicherten Altlastenbecken eines Chemiekombinats. Behörden erlassen Fischverbot

BERLIN taz ■ Knapp ein Jahr nach der Zyanidkatastrophe in der nordwestrumänischen Stadt Baia Mare ist es in Rumänien zu einem neuen Unfall mit Zyaniden gekommen. Umweltbehörden entdeckten den Unfall am Donnerstag infolge eines Fischsterbens im Fluss Siret bei der nordostrumänischen Ortschaft Lespezi. Die Zyanide stammen wahrscheinlich aus einem Altlastendepot 30 Kilometer westlich der Ortschaft. Hier hat das ehemalige Chemiekombinat „Metadet“ unter freiem Himmel in Betonbecken rund 250 Tonnen Zyanide gelagert.

Die Zyanide sind vermutlich über den kleinen Fluss Somuz in den Siret gelangt, der durch den Osten Rumäniens fließt und bei der Hafenstadt Galati nahe des Donaudeltas in die Donau mündet. Behörden haben im oberen Siret eine 130-mal höhere Zyanidkonzentration als erlaubt gemessen und etwa eine Tonne toter Fische gesammelt. Sie warnten die Anwohner davor, ihre Tiere im Siret zu tränken und darin zu fischen. Die Trinkwasserversorgung sei nicht gefährdet. Bewohner einiger Orte am Siret sollen tote Fische aufgehoben und verkauft haben, berichteten rumänische Zeitungen.

Beim Chemiekombinat Metadet in Falticeni ist es bereits mehrfach zu Zyanidunfällen gekommen. Der schwerste ereignete sich 1988, als nach Explosion in der Fabrik Zyanide freigesetzt wurden und zahlreiche Weidetiere starben. Rumänische Umweltbehörden befürchten seit langem, dass das Zyaniddepot in Falticeni eine Gefahr für die Umwelt darstellt (siehe taz von 23. 2. 2000). Auf Anfrage der taz hatte die zuständige Präfektur des Kreises Suceava erklärt, die Situation in Falticeni sei unter Kontrolle und das Depot gefährde die Umwelt nicht.

Bei dem schweren Zyanidunfall vor knapp einem Jahr in Baia Mare waren etwa 100.000 Kubikmeter Zyanide aus einem Staubecken einer rumänisch-australischen Goldfabrik ausgelaufen und in die Theiß und die Donau geflossen. Im März hatten noch einmal 20.000 Tonnen zyanid- und schwermetallhaltiger Schlämme den gleichen Weg genommen. Zeitweise war die Trinkwasserversorgung für hunderttausende Menschen in Rumänien, Ungarn und Serbien unterbrochen. Die Europäische Union hatte Rumänien im Dezember für fehlende Sicherheitsvorkehrungen bei Zyaniddepots kritisiert. KENO VERSECK