: Eene, meene, muh – und wer fliegt raus?
■ Das Anpassungskonzept für die Kinder- und Jugendförderung geht in die nächste Runde / Jugendressort legt Papier über Mittelkürzung bei Verbänden vor / Nur „Diskussionsgrundlage“
Eine Provokation. Was anderes kann es nicht sein, glauben VertreterInnen von Jugendverbänden von der neuesten Vorlage des Jugendressorts. Es geht um das Anpassungskonzept für die Kinder- und Jugendförderung bis 2005 und insbesondere um das Geld für die Jugendverbände und Jugendbildung außerhalb der Schule. Nach dem Entwurf der Behörde bekommen große Institutionen wie Arbeiterwohlfahrt (AWO), Deutscher Gewerkschaftsbund oder die Bremische evangelische Kirche (BEK) bald keine Mittel mehr für ihre Jugendbildungsreferenten. Die jährlichen rund 80.000 Mark für diesen Posten werden den Verbänden – dem einen früher, dem anderen später – gestrichen. Auch der Bremer Jugendring (BJR) soll bluten: Sein Etat soll von 320.000 Mark peu à peu auf die Hälfte zusammengestrichen werden. Dafür steigt der Etat für die Jugendbildungsstätte Lidice-Haus um rund 100.000 Mark.
Die Vorlage sei, betont Michael Schwarz, im Jugend- und Sozialressort zuständig für Kinder-, Jugend- und Familienführung und federführend beim Anpassungskonzept, nur „eine Diskussionsgrundlage“. Deshalb steht sie nicht auf der Tagesordnung der kommenden Sitzung des Jugendhilfeausschusses, der am Freitag über die Verteilung der Stadtteilbudgets – der Mittel, die die einzelnen Stadtteile künftig für ihre Jugendeinrichtungen bekommen sollen – beschließen soll. Die Jugendverbände, die in ihrer Arbeit nicht stadtteil-gebunden sind, bekommen ihr Geld nicht im Rahmen der Einzelbudgets, sondern direkt von der Behörde. Deshalb ist die Verteilung der Verbandsgelder ein Kapitel für sich.
Bisher kursiert der Behördenentwurf im Sachverständigenbeirat Jugendbildung, einem beratenden Gremium des Jugendhilfeausschusses, besetzt mit VerbandsvertreterInnen. Und die haben Schaum vorm Mund. „Schweinerei“, sagt Klaus Westing, Jugendbildungsreferent der AWO zu dem Entwurf. „Die wollen uns verarschen“, grollt Marina Stahmann, BJR-Geschäftsführerin. Das Papier sei „ein Hammer“, findet Hans-Albert Eike, Landesjugendwart der BEK. Alle drei berichten von mühsamen, aber produktiven Gesprächen und Workshops gemeinsam mit dem Sozialressort über die Kürzungszwänge. „Wir wollten irgendwie den Versuch unternehmen – soweit das geht –, die Kürzungen sinnhaft aufzufangen“, erklärt Marina Stahmann, „die Bereitschaft war da.“ Der aktuelle Behördenentwurf sei wie eine Ohrfeige. Außerdem fehlt dem Papier die Begründung, warum ausgerechnet bei den großen Verbänden gekürzt werden soll. Vielleicht meine das Ressort, die Großen könnten den Mangel aus eigener Kraft auffangen, sinniert BEK-Mann Eike und berichtet gleich auch von der Knappheit kirchlichen Geldes. Fazit: „Das bedeutet für unsere Jugendbildung das Aus.“ Klaus Westing von der AWO sagt: „Ich wüsste nicht, wie das aufzufangen wäre.“ Und Marina Stahmann rechnet vor, dass mit dem noch vorgesehenen Geld von aktuell zweieinhalb Stellen nur eine bestehen bliebe, dazu Miete und ein bisschen Büromaterial: „Was soll denn eine Person noch groß bewerkstelligen?“
Michael Schwarz betont unterdessen den Entwurfscharakter des Papieres: Auch die behördeninterne Diskussion sei noch keineswegs abgeschlossen. Auch er erwähnt die „sehr intensiven Beratungen“ mit den Verbänden. „Aber wenn man mit gekürzten Ausgaben zu tun hat, muss irgendeiner sagen, wo gekürzt wird.“ Das haben die Verbände ausdrücklich abgelehnt – daher der jetzige Entwurf. Das Anpassungskonzept setzt auf verstärkte Partizipation von Jugendlichen, das wiederum bedeute, die Verbände mindestens arbeitsfähig zu halten. Das aber wiederum bedeute – irgendwo muss es ja weh tun – bei der Jugendbildung zu sparen. „Alternativen: keine“, heißt es in der Vorlage.
Ob die Kürzungen im Jugendbereich nicht doch noch abzuwenden seien, kann Schwarz nicht sagen. Seine Senatorin Hilde Adolf (SPD) bemühe sich darum. Schwarz: „Sie kämpft.“
Die Jugendverbände wollen derweil den „Schulterschluss“ üben, so Westing, und genau das tun, was sie zuvor verweigert hatten: eigene Kürzungsszenarien vorlegen, „in genau derselben Absurdität.“ sgi
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