: Elf-Affäre: Prozess um Nebensachen
Gegen Frankreichs ehemaligen Außenminister Roland Dumas wird ab heute wegen Bestechlichkeit verhandelt
PARIS taz ■ Die Affäre hat alle Ingredienzien, um Auflagen zu steigern: Es geht um Sex, Macht und Verrat, um Politik und um jede Menge unrechtmäßig verprasstes Geld. Bei der heutigen Eröffnung des Prozesses gegen den einstigen Außenminister Frankreichs, Roland Dumas, und sechs weitere Angeklagte, sind alle Journalistenplätze ausgebucht. Auch die im Nebensaal des Pariser Gerichtes, in den die Verhandlung auf einen Großleinwand live übertragen wird.
Wenn alles nach Plan verläuft, wird das Publikum in den kommenden vier Wochen nicht nur den Ex-Minister, seine Ex-Geliebte und mehrere Ex-Führungskräfte des Mineralölkonzerns „Elf“ auf der Anklagebank erleben, sondern auch ein beeindruckendes Defilée von Ex-Regierungschefs und Ex-Ministern sowie einem Ex-Geheimdienstchef im Zeugenstand. Bloß einer fehlt: der Angeklagte Alfred Sirven. Der 73-jährige einstige Elf-Spitzenmanager, der die gesamte Sache eingefädelt haben soll und von sich selbst behauptet, er habe genügend Belastungsmaterial, „um die gesamte französische Republik zu sprengen“, ist seit beinahe drei Jahren auf der Flucht. Nachdem französische Journalisten vor wenigen Wochen Sirvens Spur auf den Philippinen fanden, soll er sich in den Libanon abgesetzt haben.
Das Justizspektakel in Paris ist der erste Prozess im Rahmen der „Elf-Affäre“, in der drei französische UntersuchungsrichterInnen seit Jahren ermitteln. Es ist die größte Finanz- und Politaffäre der französischen Nachkriegsgeschichte, deren Verwicklungen bis nach Afrika, Lateinamerika und Asien und nebenbei auch bis in die Schwarzgeldkassen der CDU des deutschen Ex-Kanzlers Helmut Kohl reichen.
Doch die Hintergründe und Verwicklungen, die die Elf-Affäre spannend gemacht haben, sind bei dem heute beginnenden Verfahren ausdrücklich ausgeschlossen. Selbst die sechs Kriegsschiffe, die Frankreich Anfang der 90er-Jahre an Taiwan verkauft hat, sind nicht Verhandlungsgegenstand. Dabei behauptet die Mitangeklagte Christine Deviers-Joncour hartnäckig, dass sie von „Elf“ mit dem Auftrag angestellt worden sei, ihren damaligen Geliebten, Außenminister Dumas, von dem Rüstungsgeschäft mit Taiwan zu überzeugen. Für diese „Arbeit“ seien ihr insgesamt 64,5 Millionen Francs gezahlt worden. In bislang drei Büchern, die mit dem Bestseller „La Putain de la République“ (Die Hure der Republik) begannen, schildert die Ex-Geliebte die Einzelheiten ihrer Bettagitation.
Freilich stecken die Ermittlungen über die weltweiten Elf-Verstrickungen immer noch in den Anfängen. Zu viele diplomatische Hindernisse, zu viele „Verteidigungsgeheimnisse“ sind aus dem Weg zu räumen. Hinzu kommt, dass es einem normalen französischen Strafgericht gar nicht möglich wäre, gegen einen Politiker zu verhandeln, der sich möglicherweise in seiner Eigenschaft als Regierungsmitglied bestechen ließ. Dafür gibt es ein Spezialgericht: den Rechtshof der Republik.
So schrumpfte die Anklage gegen Dumas auf zwei vergleichsweise harmlose Vorwürfe zusammen. Erstens soll der Ex-Außenminister seiner Geliebten eine Gefälligkeitsbeschäftigung beim damaligen Staatskonzern „Elf“ besorgt haben. Zweitens soll er mit ihr von den Überweisungen von „Elf“ profitiert haben. Unter anderem muss das Gericht befinden, ob Dumas das Recht hatte, sich von seiner Geliebten Schuhe im Wert von 11.000 Francs und chinesische Stuatuetten im Wert von 300.000 Francs spendieren zu lassen, die sie mit einer Kreditkarte von „Elf“ bezahlte. Sollte es sich dabei um illegale Vorteilsnahme handeln, drohen Dumas maximal fünf Jahre Gefängnis und 2,5 Millionen Francs Geldstrafe.
Dumas bestreitet alle Vorwürfe der Bestechlichkeit bis heute. In dem Pariser Prozess will er klar machen, dass er nicht für den Scheinjob seiner Geliebten eingetreten sei und dass er keine Geschenke von ihr entgegen genommen habe, deren unrechtmäßigen Hintergrund er kennen konnte.
Vor allen Dingen aber will er das Gericht auf das Terrain lenken, auf dem dieser Prozess garantiert platzen wird: die Fregatten. Seine Opposition gegen ihren Verkauf an Taiwan will Dumas nie aufgegeben haben. Um das nachzuweisen, wird sein Anwalt die Öffnung des „Verteidigungsgeheimnisses“ verlangen.
DOROTHEA HAHN
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