: Clubtheater ohne Bässe
■ Im Thalia in der Gaußstraße gastierte das Clubtheater Berlin mit „Disco-nn-ected“
Wo normalerweise im Entree des Thalia in der Gaußstraße der Leuchtstoffkasten mit dem Wort „Glück“ hängt, ist diesmal eine Videoleinwand angebracht. Unter den Leuchtlettern „Glanz“ verkauft ein Angestellter Essen. Während des Einlasses besänftigt und beschäftigt die Musik von Stereolab die rauchenden und essenden Zuschauer. Das Publikum nimmt auf Plastikstühlen und roten Ledergruppen in der Mitte des Foyers Platz, um sich von dortaus von den Darstellern umspielen zu lassen. Zwei Frauen und zwei Männer beschreiben mit Hilfe von Videointerviews, Dialogen und gespielten Szenen Beziehungsprobleme junger Großstadtbewohner. Clubs, Restaurants und Bars sind das Young Urban Umfeld dieser Pärchenshow.
Das Theaterstück Disco-nn-ected funktioniert im Grunde wie neue deutsche Popliteratur. Es ist ein Selbstbekenntnis-Karussell. In den Büchern wechseln Beschreibungen von Diskobesuchen mit persönlichen Hitlisten, das Berliner Clubtheater beschreibt einen aufgeräumten Alltag: die Probleme mit Haaren in der Dusche und im Schlafzimmer vergessenen Pizzakartons. Natürlich wird jedes Thirty-Something-Geschöpf Teile seiner eigenen Pärchenlüge wiederfinden – aber braucht man ein Theaterstück, das wie ein Spiegel der eigenen biederen Biographie ist?
Ständig versichern die Interviewten, sie wollten nicht so langweilig enden wie ihre Eltern. Alle Versuche, ihre Beziehungen und Jobs unkonventionell zu gestalten, richten sich aber auf die Absicherung des Erkämpften. Das Publikum honoriert mit wissendem Lächeln Sätze und Szenen, in denen es sich wiederfinden kann, aber genau hier enden die Beziehungsrekonstruktionen und die Young Urban Langweile setzt ein: Das Leben dieser Menschen ist einfach zu öde. Niemals betrinkt sich jemand bis zur Ohnmacht, Seitensprünge sind streng kalkuliert, sollen nach vorheriger Absprache der eigenen Beziehung neuen Drive bringen. Auch Geld spielt kaum eine Rolle, die Generation der Erben scheint es einfach zu haben. „Ficken“ und „American Express“ sagt ein Dia hinter dem DJ. Ja, entscheidet Euch. Nikola Duric
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