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Die Mühen der Ebenen

Die „FTD“ ist kein Überflieger, sondern setzt auf solides Wachstum und 30 Millionen Mark schwere Werbekampagnen. Seit dem Sommer ist das Blatt etwas langweiliger und bieder geworden. Dafür gibt’s als Geburtstagsgeschenk Kultur und Sport

von STEFFEN GRIMBERG

„Männliche Brustwarzen – das sind die neuen Zeichen der Uneigennützigkeit. Und der männliche Bauchnabel ist das Zentrum des kosmischen Raums. (...) Männliche (...) Pobacken sind nicht nur an für sich schön, sondern auch dadurch, was zwischen ihnen hindurch zu sehen ist. Die Eier sind eine wahre Schatzinsel. Da gibt es eine Stelle, dass einem schwindelig wird.“

Und wo steht so was? In der Financial Times Deutschland (FTD), der rosa Schwester, dem neuen Zentralorgan des Kapitals. Natürlich nur im freitäglichen Weekend-Teil, aber immerhin. Schließlich ist das Blatt ja auch angetreten, der deutsch-gemütlichen Wirtschaftsberichterstattung den Marsch zu blasen.

Das war vor knapp einem Jahr, seitdem entwickelt sich das gemeinsame Baby der Bertelsmann-Tochter Gruner + Jahr und des Financial-Times-Mutterhauses Pearson – nun ja: „prächtig“, heißt es unisono in der Hamburger FTD-Zentrale. „Den Umständen entsprechend“, meint die Branche: Genau 66.085 täglich verkaufte Zeitungen hat der Verlag für das vierte Quartal 2000 gemeldet, bei den Abonnements gab es einen satten Sprung von knapp 24.000 auf knapp 31.000 Exemplare, der Einzelverkauf ging dagegen leicht zurück.

Wegen beziehungsweise trotz großer Herbstkampagne: 30 Millionen Mark ließ sich FTD ihre neuen Anzeigenmotive („Kritisch, kompakt, leidenschaftlich: Die Farbe der Wirtschaft“) und TV-Spots kosten. „Wir setzen auf solides Wachstum“, sagt Verlagschef Michael Rzesnitzek, die 70.000er Marke möchte das Blatt zum ersten Geburtstag Mitte Februar durchbrechen.

Der Wettbewerb bleibt hart, auch wenn sich die FTD-Geschäftsführung höflich zurückhält. Vom „Krieg“ zu sprechen, überlässt sie lieber dem britischen Mutterhaus: „For Handelsblatt, this is do or die“, beschied da FT-Geschäftsführer Olivier Fleurot der Sunday Times. Doch Hauptkonkurrent Handelsblatt (Auflage im vierten Quartal 2000 fast unverändert auf dem Vorjahresstand von rund 170.000 Exemplaren) leidet nicht sichtbar unter der neuen Konkurrenz. Der schärfste Gegenwind für die FTD kam vielmehr von Springers Welt, die zwischenzeitlich auch schon mal die Ablösung von FTD-Chefredakteur Andrew Gowers verkündete und jeden Personalwechsel höhnisch kommentierte.

Für das Jahresende kursiert nun die Auflagenzahl 80.000, schwindelig wird einem nicht gerade davon. Zumindest dann nicht, wenn die Sonderverkäufe, also Probeabos, Bord- und Hotelexemplare weiter auf dem hohen Stand von rund 26.000 Zeitungen bleiben. „Wir brauchen diese Sonderverkäufe. Noch sind wir klar in der Einführungsphase“, so Rzesnitzek.

Und Chefredakteur Gowers pflegt im weiteren Verlauf des Gesprächs britischen Pragmatismus: Im Sommer habe das Blatt seine „Stimme und Linie größtenteils gefunden“, so Gowers. Sein altes Credo, jeden Tag ein paar Meldungen zu haben, die die Konkurrenz ärgerten, gilt weiterhin. Doch die Scoops sind nicht mehr alles, „vielleicht haben wir da einiges zu groß gemacht“, sagt Gowers, schließlich wollten die Leser keine Scoops ins Gesicht geschrien bekommen, sondern vielmehr „unseren Take auf eine Geschichte“.

Die Berichterstattung ist insgesamt zurückhaltender geworden. Zwar wird noch immer tiefer recherchiert als in der deutschen Wirtschaftspresse in Vor-FTD-Zeiten üblich, doch seit dem Sommer ist der Schwung etwas verloren gegangen. Als die FTD zur gescheiterten Übernahme des italienischen Telekommunikationsunternehmens Wind durch die Deutsche Telekom „Telekom lässt Wind sausen“ titelte, wurde Gowers nämlich offenbar doch schwindelig. „Da nimmt schon die Seriosität ab“, sagt er heute. Mit Bertelsmann-Chef Middelhoff, der dem Blatt bei einem Redaktionsbesuch im vergangenen Herbst noch ein herzliches „mehr FAZ, weniger taz“ entgegenrief, habe diese Entwicklung natürlich nichts zu tun.

Im Bauch der FTD sieht man das anders. „Die Klassiker haben gewonnen“, sagt ein Redakteur und meint die Vertreter angestammt trockener Wirtschaftsberichterstattung. Der Schwung sei arg gebremst, Vorsicht mache sich breit. Und wie bei allen neuen Projekten, ergänzt ein anderer, lasse der Elan der „Pionierzeit“ auch einfach nach – Business as usual eben.

Allerdings mit kleinen Macken: „Wir bauen leider immer wieder extrem peinliche Fehler in unserer Berichterstattung. Unsere Leser reagieren darauf recht ungehalten“, mahnte Christoph Kesse, stellvertretender Chefredakteur, auch im neuen Jahr die Redaktion. Falsche Bildunterschriften, fehlende Maßeinheiten und immer wieder der Klassiker von vertauschten Millionen und Milliarden: Auch die Korrektur der FTD hat in erster Linie ein Auge auf die Orthografie. Subeditors, die wie beim britischen Mutterblatt auch noch die Inhalte überprüfen, waren bei aller Britishness beim deutschen Ableger nicht vorgesehen.

Dafür will der nun nachlegen und den Blattumfang erweitern. Nicht um eine weitere Beilage wie das Investmentmagazin Portfolio, obwohl laut Gowers auch in dieser Richtung 2001 mit Neuem zu rechnen ist: Sport und Kultur sollen ins Blatt.

Zwar nannte Gowers beim Gespräch in Hamburg entsprechende Meldungen noch „voreilig“, doch jetzt scheint der Termin festzustehen: Pünktlich zum ersten Geburtstag im Februar soll es so weit sein. „Sollte die FTD scheitern – was ihr nicht zu wünschen ist“, hatte die taz im März 2000 geschrieben, „dann, weil sie nicht so konsequent war, sich auch Sport zu leisten und einen Kulturteil.“

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