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Die Kunst des Bauens

Traditionspflege in mehrfach gebrochenem Gewand: Im Neubau der indischen Botschaft an der Tiergartenstraße werden auch Yoga-Kurse und Workshops zur Stressbekämpfung angeboten

von KATRIN BETTINA MÜLLER

Indien liegt zwischen Baden-Württemberg und Süd-Afrika. Zumindest in der geopolitischen Topografie des neu entstehenden diplomatischen Viertels am Rande des Berliner Tiergartens. Der leuchtend rote Sandstein, der den Botschaftsneubau der Berliner Architekten Hilde Leon, Konrad Wohlhage und Siegfried Wernik ummantelt, kam mit dem Schiff aus Rajasthan. Die grob behauenen Blöcke beleben die Textur der Fassade, als ob der Bau schon Jahrzehnte Witterung und Stürmen getrotzt hätte. Die flach eingeschnittenen Fenster und der schmale Durchlass, der zu einem verglasten und zylindrischen Eingangshof führt, verstärken den Eindruck, zugleich einer archaischen Festung und einer modernen Architektur gegenüberzustehen. Im Gegensatz zur äußeren Geschlossenheit ist die Gliederung der Raumfolge im Inneren einladend.

„Die Attraktivität Indiens liegt nicht zuletzt darin, dass hier gleichzeitig mehrere Jahrhunderte nebeneinander leben“, sagte Jaswant Singh, Außenminister Indiens, der die neue Botschaft vor einigen Tagen eröffnete, in einem Interview des Tagesspiegels. „Ein Büffelkarren ist nicht einfach ein Zeichen der Armut, sein Weiterleben ist ein Beweis für die Selbstverständlichkeit archaischer Traditionen, die den modernen Traktor nicht ausschließen, aber sich ebenso wenig von diesem verdrängen lassen.“ Diesem Nebeneinander von ungebrochener Überlieferung, der Verarbeitung westlicher Einflüsse und einer eigenen Moderne gilt die Arbeit des Tagore-Kultur-Zentrums, das zugleich mit der Botschaft in die beiden unteren Stockwerken des Hauses eingezogen ist.

Der Diplomat fährt mit dem Wagen vor und deshalb gilt ihm der seitliche Eingang, zu der von der Tiergartenstraße aus ein Weg führt. Der Besucher des Kulturzentrums kommt dagegen besser zu Fuß. Steine führen ihn über den Wasserlauf, der sich später im umschlossenen Innenhof fortsetzt und sogar von einer Terrasse aus über eine hohe Treppe hinabläuft. Die Eingangshalle, von Gittern aus ornamental durchbrochenem Stein unterteilt, ist zugleich Ausstellungsraum. Hier zeigt das Tagore-Zentrum fünf zeitgenössische Maler. Zu ihnen gehört Ganesh Haloi aus Bengalen, der in seinen vorsichtigen Abstraktionen nicht den narrativen Faden verliert. Die beweglichen Muster seiner Bilder in erdigen Farbtönen erinnern an den Flickenteppich der Landschaft aus der Vogelperspektive. Düstere Visionen und ein Zerbrechen der geschlossenen Wahrnehmung bestimmen die Bilder von Sunil Das und Manu Parekh.

Schon lange haben Yoga-Kurse und die indische Küche Berlin erobert. Der indischen Kunst der Gegenwart gilt dagegen wenig Aufmerksamkeit. Selbst das Dahlemer Museum für indische Kunst verfügt erst seit wenigen Wochen über einen „Sonderausstellungsraum“, um die Begegnung mit zeitgenössischer Kunst zu riskieren. Im internationalen Kunsthandel spielen indische Maler erst seit kurzem eine Rolle.

Vor allem der große Veranstaltungssaal, der sich an der ganzen Längsseite mit Fenstern zum Garten im Innenhof öffnet, könnte zur Attraktivität des Programms beitragen. Ein Schwerpunkt liegt auf dem klassischem Tanz, der in seiner Mischung aus Improvisation und codierten Bedeutungen oft nur als exotisches Bild wahrgenommen wird. Bereitwilliger findet die Auseinandersetzung mit einem anderen Konzept von Körper und Geist in den Yoga-Kursen statt, die das Tagore-Zentrum ebenfalls anbietet. Selten darf man in so noblem Ambiente dem Rumpeln im eigenen Inneren lauschen und auf den Fluss der Energie warten.

Raghvendra Singh, der Direktor des Tagore-Kultur-Zentrums, schwärmt von einem Workshop „Die Kunst des Lebens“, der Stressmanagement verspricht. Das kann er brauchen, denn noch funktioniert der „internationale Dialog“ etwas mühsam. Den Deutschen Indien nahe zu bringen, ist harte Arbeit. Der Botschafter Ronen Sen befürchtet denn auch, dass „viele Menschen eine sehr romantische Vorstellung von Indien“ haben und nicht wissen, „dass es zu den führenden Ländern in Wissenschaft und Technologie gehört“. Weltläufigkeit braucht noch Übung in Berlin. Auch das Tagore-Zentrum schien nicht so recht zu wissen, wen es zu seinem ersten Pressetermin einladen soll. So hätten die reichlich angebotenen Teigtaschen gereicht, die anwesenden Journalisten drei Tage lang durchzufüttern.

Viel zu wenig Publikum hatte denn auch der erste Film einer Reihe, die der indischen Schauspielerin Smita Patil gewidmet ist (1955–1986) und vom Tagore-Zentrum im Kino Arsenal gezeigt wird. Der Eröffnungsfilm „Bhumika“ war nicht nur durch die Leidensgeschichte einer Schauspielerin ergreifend, die trotz oder gerade wegen ihrer Erfolge auf der Leinwand im realen Leben keinen Platz finden kann, sondern auch, weil der Film gleich viermal riss und so das authentische Erlebnis rarer Filmkunst sicherstellte.

Smita Patil ist ein Star des indischem Autorenkinos, die in ihren Rollen oft den Bruch zwischen den einfachen Fluchtwelten des Kinos und der sehr komplizierten Realität liebevoll ausmalte. Das Kino ist sicher das wichtigste Medium, um etwas vom Nebeneinander von Geschichte und Gegenwart in der indischen Kultur begreifen zu können.

Tagore-Kultur-Zentrum in der indischen Botschaft, Tiergartenstraße 16–17, Ausstellung bis 31. Januar, tägl. 10–16.30 Uhr. Hommage an Smita Patil im Arsenal bis 31. Januar.

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