: Krieg der Warlords im Goldrevier
Im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo sind Konflikte zwischen rivalisierenden Rebellenführern zu einem offenen Bürgerkrieg um die Stadt Bunia eskaliert. Zehntausende Menschen sind auf der Flucht, Milizen begehen blutige Massaker
von DOMINIC JOHNSON
Ausgeweidete Leichen auf der Straße mit abgeschnittenen Gliedmaßen; Soldaten mit den Köpfen ihrer Opfer auf ihren Bajonetten – die Berichte, die dieser Tage aus der Stadt Bunia im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo nach außen dringen, sind schockierend. Bis zu 250 Menschen sollen Ende letzter Woche bei Massakern in und um die Hauptstadt der Rebellengruppe RCD-ML (Kongolesische Sammlung für Demokratie/Befreiungsbewegung) ums Leben gekommen sein.
Vordergründig stehen sich bei diesem Konflikt Milizen zweier Völker gegenüber, die sich schon seit Jahren bekämpfen: Die Hema und die Lendu. Die Hema dominieren den Handel der Region und haben den besseren Zugang zur Macht, die Lendu sind Bauern und fühlen sich oft benachteiligt. Kämpfe zwischen den beiden Völkern forderten schon 1998 und 1999 zwischen 5.000 und 40.000 Tote, 200.000 Menschen wurden vertrieben. Ein Faktor dabei war, dass beide Seiten unterschiedliche Teile der Armee Ugandas, die die Region eigentlich beherrscht, für sich gewannen und dadurch an moderne Waffen kamen.
Hintergrund des Krieges ist aber die Frage, wer in Bunia, Zentrum des Goldhandels nahe der Grenze zu Uganda, überhaupt das Sagen hat. Der Führer der hier herrschenden RCD-ML, Ernest Wamba dia Wamba, streitet sich seit Monaten mit seinen ehemaligen wichtigsten Mitarbeitern John Tibusima und Mbusa Nyamwisi. Die Streithähne setzten sich vergangenes Jahr gegenseitig von ihren Posten ab und lieferten sich im November Kämpfe in Bunia. Seitdem halten sie sich in Uganda auf.
Die Gegner könnten unterschiedlicher kaum sein. Wamba, der aus dem Westen des Kongo stammt, ist ein über 70 Jahre alter Professor, der mit intellektueller Überzeugungskraft zu regieren versucht und daher als Warlord völlig fehl am Platze erscheint. Tibasima, ein Hema, war zu Zeiten Mobutus Direktor der Bergbaufirma Okimo, die die gigantischen Goldkonzessionen von Kilomoto westlich von Bunia verwaltete. Heute ist er ein gewandter Geschäftsmann, der seine Macht auf den Goldhandel gründet. Es ist klar, dass Wamba gegenüber Tibasima den kürzeren zieht.
Besiegelt wurde das am 16. Januar, als auf Druck Ugandas die RCD-ML mit der größeren ugandisch unterstützten Rebellengruppe MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) verschmolzen wurde, die das nördliche Drittel des Kongo beherrscht. Diese Gründung der so genannten „Kongolesischen Befreiungsfront“ (FLC) wurde am folgenden Tag von Wamba als „Weißwäsche für politische und ökonomische Verbrechen“ abgelehnt. Nach Berichten aus Bunia mobilisiert Wamba seitdem bewaffnete Kämpfer. Er soll ruandische Hutu-Milizen und Soldaten der einstigen zairischen Armee von Diktator Mobutu mobilisiert haben – also Ugandas Kriegsgegner im Kongo. In der Hauptsache soll er sich aber auf Milizen des Lendu-Volkes verlassen. Wamba wirft Uganda vor, einseitig die Hema zu favorisieren, ihnen alle Machtpositionen zu geben und unter ihnen eine „ethnische Armee“ aufzubauen.
Die andere Seite meldet hingegen seit Monaten, Lendu-Milizen mobilisierten zum generalisierten Angriff auf die Hema. Bereits Anfang Januar gab es schwere Kämpfe um die Stadt Nyankunde, deren 15.000 Bewohner mittlerweile fast alle geflohen sind. Die Hema-Geschäftsleute von Bunia holten daraufhin die meisten Hemas aus dem Umland in die Stadt, um sie dort zu schützen; in Bunia leben inzwischen mehrere zehntausend Vertriebene.
Am vergangenen Freitag griffen Lendu-Milizen Bunia erstmals direkt an. Sie wurden von Ugandas Armee mit Hubschrauber zurückgeschlagen. Danach machten in Bunia Hema-Milizen Jagd auf Lendus. Allein an diesem Tag soll es hunderte von Toten gegeben haben. Seitdem hat sich die Lage vorerst beruhigt, aber Bunia fürchtet jetzt Racheangriffe der Lendu.
Beobachter vor Ort sind sich sicher, dass die Unsicherheit im Kongo nach der Ermordung des Präsidenten Laurent Kabila die Situation verschärft hat. Die bisherigen Loyalitäten werden brüchig, Kongos Warlords versuchen sich neu zu positionieren.
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