: Rückenwind für die Reform
■ Eltern können Bildungspläne ab Februar diskutieren. Erziehungswissenschaftler fürchtet Verwässerung der Reform
Was haben die rechte und die linke Gehirnhälfte mit Bildungsplänen zu tun? Eine Menge, folgt man den Worten von Erziehungswissenschaftler Peter Struck. Gerade Jungen versagten vermehrt in der Schule, erklärte er auf einer Veranstaltung des Hamburger Elternvereins – und das hänge damit zusammen, dass sie nur einseitig, und das ist wörtlich zu verstehen, gefördert werden. Das Resultat: 72 Prozent der Schüler ohne Abschluss seien Jungen, nur 18 Prozent eines Jahrgangs schafften das Abitur.
Der männliche Nachwuchs werde immer noch zu sehr über die linke, fürs Rationale zuständige Gehirnhälfte angesprochen. Mädchen hingegen hätten von klein auf mehr Ansprache der rechten Hirnhälfte, zuständig fürs Musische, Kreative und Emotionale. Deshalb kämen sie in der Schule besser zurecht. Struck: „Jungen können nicht mehr mithalten, wenn man die alten Erziehungsweisen pflegt.“ Eine Reform der Schule, „weg von der Belehrungsschule“, die Obrigkeitshörigkeit erzeuge, sei überfällig. Neben einer gezielten Jungenpädagogik seien andere Lernmethoden nötig, wie das Selberlernen, das Lernen durch Handeln oder Fehlermachen. Denn auch die Wirtschaft brauche heute nicht mehr Schulabgänger mit komplexem Faktenwissen, sondern Menschen mit Erkundungskompetenz und der Fähigkeit „zu reden und zuzuhören“.
Große Hoffnungen habe Hamburgs ehemalige Schulsentorin Rosie Raab geweckt, als sie Mitte der 90er Jahre das neue Schulgesetz vorstellte und eine Neugliederung der Fächer in Lernbereiche versprach. Auf diese Weise sei vernetztes Denken eher möglich. „Solche offenen Bildungspläne“, so Struck, seien ein wichtiger Schritt weg von der Belehrungsschule, sagte Struck.
Doch die ersten Bildungspläne, die die Schulbehörde zunächst für Klasse fünf bis zehn erarbeitet hat, seien enttäuschend, „weil die alten Fächer zu deutlich durchschimmern“. Es bestehe die Gefahr, so Struck, dass die von Raab angestoßene Reform auf „20 Prozent des Weges halt mache“, weil die konservativen Lehrer querschießen. Struck: „Eigentlich hat man nur die alten Lehrpläne reformiert.“
Eltern können sich im Februar selbst ein Bild machen. Dann gehen die Pläne an die Schulen, die dazu Stellung nehmen sollen. Glaubt man Oberschulrat Uwe Heinrichs, so wurde die ursprüngliche Raab-Idee nicht verwässert. Die Rahmenpläne für die Fächer, so Heinrichs gegenüber der taz, gäben zwar eine „deutlichere Orientierung“ als früher. Doch enthielten sie auch Querverweise zu anderen Fächern. Jede Schule könne daraus Lernbereiche bilden. Kaija Kutter
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