: Scharping bläst zum Generalangriff
Verteidigungsminister Rudolf Scharping will 59 Bundeswehrstandorte in Deutschland auflösen, darunter 39 große. Union spricht von „Kahlschlag“
BERLIN rtr/dpa ■ Im Zuge der Bundeswehrreform will Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) nahezu jeden zehnten Standort schließen. 59 Standorte, darunter 39 große, werden aufgelöst, 40 Verbände verkleinert, teilte Scharping gestern nach einer Sitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestages in Berlin mit. An 40 Standorten soll zudem massiv Personal eingespart werden. Ziel der Reform ist eine leistungsfähigere und international stärker eingebundene Bundeswehr. Außerdem verspricht sich Scharping eine Milliardeneinsparung. Die Opposition sprach von einem „Kahlschlag“.
Deutschlands sicherheitspolitisches Umfeld habe sich grundlegend verändert, verteidigte Scharping sein Konzept. „Da kann man nicht sagen, es soll alles so bleiben, wie es ist.“ Aus rein betriebsorganisatorischen Gründen hätten mehr als 100 Standorte geschlossen werden müssen. Rot-Grün will die Truppe von derzeit rund 310.000 auf 282.000 Soldaten reduzieren. Die Zahl der Zivilbeschäftigten soll um rund ein Drittel auf rund 85.000 verringert werden.
Zu den nun beschlossenen Schließungen kommen noch 47 von Scharpings Vorgänger Volker Rühe (CDU) verfügte Auflösungen. Davon sind aber nach Bundeswehr-Angaben vergleichsweise wenig Soldaten betroffen. Scharping sagte, insgesamt blieben mehr als 90 Prozent der Standorte erhalten.
Die Umstrukturierung der Verbände soll bis 2006 verwirklicht sein. Die Standorte sollen nach militärischen, sozialen und wirtschaftlichen Kriterien aufgelöst werden. Bis Mitte Februar können die Ministerpräsidenten Alternativvorschläge machen.
Am stärksten von den Schließungen betroffen ist Bayern. Die CSU warf dem Minister Entscheidungen nach parteipolitischen Gesichtspunkten vor. Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Michael Glos, sagte, mit den Schließungsplänen seien irreparable Schäden für die Verankerung der Bundeswehr in der Bevölkerung verbunden.
Scharping verteidigte sein Konzept dagegen als sozial verträglich. In über 50 Fällen seien unwirtschaftliche Standorte mit Rücksicht auf soziale, regionale und wirtschaftliche Gründe nicht geschlossen worden. Aus rein wirtschaftlichen Überlegungen hätte sich ein Einsparpotenzial von 600 bis 700 Millionen Mark bei den jährlichen Betriebskosten ergeben. Davon sei aber nur ein Drittel ausgeschöpft worden.
Sachfremde Kriterien hätten keine Rolle gespielt. So verliere das CDU-geführte Baden-Württemberg vier Prozent seiner Bundeswehr-Dienstposten, das SPD-geführte Rheinland-Pfalz, aus dem Scharping stammt, 15 Prozent. Für die Entscheidung über die Schließung eines Standorts seien fünf Kriterien ausschlaggebend gewesen, die teilweise im Widerspruch zueinander stünden, sagte Scharping. So seien militärische Gründe wie die Einbindung in Nato-Strukturen sozialen Überlegungen wie der Notwendigkeit von Familienumzügen, Raumordnungsfragen sowie regionalen wirtschaftlichen Interessen gegenübergestellt worden. Bei der Präsenz der Bundeswehr in der Fläche sei es zudem auch um Chancen zur Nachwuchsgewinnung gegangen.
Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Paul Breuer (CDU), warf Scharping vor, mit dem geplanten Zuschnitt der Bundeswehr werde diese ihre Aufgaben nicht erfüllen können.
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