BSE-Rat: Immer wieder Gelatine
■ BSE-Angst lässt in Verbraucherzentrale dieTelefonleitungen heiß laufen
Ob denn wirklich kein Rinderblut im Schokoaufstrich ihrer Kinder verarbeitet worden ist, will die Anruferin wissen – und wird beruhigt: „Nein, das ist gar nicht erlaubt.“ Diese und andere Fragen beantwortet Gertraud Huisinga in der Bremer Verbraucherzentrale derzeit täglich. In den vergangenen Wochen hat sich die Ernährungsberaterin jedoch aus aktuellem Anlass zur BSE-Expertin entwickelt: Wie unbedenklich ist Gelatine? Dürfen Kinder noch Milch trinken? Wo liegt der nächste Ökobauernhof? Das sind die Standard-Fragen mit denen VerbraucherschützerInnen derzeit konfrontiert werden.
Wahre Anruf-Fluten brechen immer dann über die Zentrale herein, wenn Radio, Fernsehen oder Presse wieder aktuelle Hiobsbotschaften verbreiten. Aus diesem Grund hat die Verbraucherzentrale jetzt ihre telefonischen Beratungszeiten verlängert. Ganz oben auf der Liste der Besorgten stehen da Familien mit Kindern – oder Großeltern, die sich um ihre Enkel sorgen. „Berufstätige im mittleren Alter melden sich so gut wie nie“, stellt Gertraud Huisinga fest. Dafür kommen von Erzeugern Anrufe: Die konventionellen Bauern allerdings loben weniger die Empfehlungsliste mit Ökobauernhöfen, die die Verbraucherzentrale herausgibt. Sie fühlten sich damit durch die Verbraucherzentrale eher ins Abseits gestellt, sagt Huisinga. Die Ernährungsberaterin betont jedoch, dass sie angesichts der mangelnden wissenschaftlichen Kenntnisse über BSE nur „Risikominderung“ empfehlen könne. Und dabei liege die ökologische Landwirtschaft, in der die Tiermehlverfütterung nie praktiziert wurde, vorne.
Auch für die AnruferInnen aus dem näheren Umland gibt es Rat. So erfährt die Frau aus Lilienthal, wo sie den nächsten Ökobauern findet. Was VerbraucherschützerInnen jedoch die Beratung erschwert, sind Sätze wie: „Aber ich will nicht noch extra losfahren.“ Wenn auf Huisingas Vorschlag, der Lilienthaler Ökomarkt läge vielleicht näher, dann aber der Einwand folgt: „Da weiß ich ja auch nicht, wo es herkommt“, hebt Gertraud Huisinga nur noch hilferingend die Hände.
Immer öfter wird die Ernährungsexpertin zu Vorträgen eingeladen. In Bibliotheken, Volkshochschulen oder Kindergärten treffen sich besorgte Eltern, um sie nach dem Schutz vor BSE auszufragen. Thema ist immer wieder Gelatine – und Milch in allen Varianten: „Meine Kinder trinken so gerne Buttermilch, ist das unbedenklich?“ – „Nach heutigem Erkenntnisstand ja.“
„Die Bereitschaft der Verbraucher, ihre Ernährung zu ändern, ist unterschiedlich“, bemerkt Gertraud Huisinga. Vielfach beobachtet sie, dass zwar frisches Rindfleisch im Supermarkt liegen bliebe, der Gulasch-Eintopf aus der Dose aber unbesehen gekauft werde. Gerade die Produkte, deren Fleischanteil nicht auf ihre Herkunft hin überprüft werden können also. „Es ist uns unbegreiflich, wieso die Leute gerade das kaufen was aus unserer Sicht am gefährlichs-ten ist.“
juka
Seit Februar ist das Beratungstelefon der Verbraucherzentrale von Montag bis Donnerstag zwischen 10 und 16 Uhr besetzt. Am Freitag kümmern die Beraterinnen sich von 10 bis 13 Uhr um die Fragen der Anrufer unter Tel.: 160-77 54.
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