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Bernsteingelber Klassiker

Das Ergebnis eines internationalen Puzzles: Höhepunkt der Fritz-Lang-Retrospektive ist die Wiederaufführung der Science-Fiction-Legende „Metropolis“ aus dem Jahr 1927

Kaum ein anderer deutscher Film hat einen vergleichbaren internationalen Bekanntheitsgrad. Die Ikonografie von Fritz Langs „Metropolis“ findet sich in Großprojekten des Science-Fiction von „Star Wars“ über „Blade Runner“ bis hin zu „Das fünfte Element“, zahllos die Zitate in Videoclips, Design und Mode.

Um so merkwürdiger, dass bislang eigentlich niemand den wirklichen Film „Metropolis“ kennt. Was in den letzten Jahrzehnten auf den Leinwänden und Bildschirmen zu sehen war, hat mit dem Original nur wenig zu tun und stellt bestenfalls einen Torso dar. Wenn jetzt im Rahmen der Fritz-Lang-Retrospektive eine Fassung zu sehen ist, die der ursprünglichen Version sehr nahe kommt, ist das sozusagen eine filmhistorische Sensation.

Enno Patalas, umtriebiger Filmpublizist und ehemaliger Direktor des Münchener Filmmuseums, beschäftigt sich seit den 70er-Jahren mit dem Komplex, stellte zwischen 1984 und 1988 eine erste vervollständigte Kopie her, die nun in Zusammenarbeit mit Martin Koerber von der Stiftung Deutsche Kinemathek komplettiert wurde. Die Geschichte dieser Rekonstruktion mutet selbst wie ein Filmstoff an, denn sie erzählt von einem frühen Beispiel für kulturelle Amerikanisierung und von der Mühsal der Rehabilitation.

1926, als „Metropolis“ von der Filmprüfstelle abgenommen wurde, befand sich die Ufa in einer desaströsen finanziellen Lage – nicht zuletzt durch Langs Mammutwerk selbst. In der parallel zu den Dreharbeiten gestarteten PR-Aktion bewarb die Geschäftsführung den bis dahin aufwendigsten deutschen Spielfilm schon damals mit „Titanic“-Argumenten: „36.000 Komparsen, darunter 750 Kinder und 100 Neger, 1.100 Kahlköpfe, mehr als 500 Wolkenkratzer, 1.300.000 Meter Film, 1.600.000 Reichsmark allein für Arbeitslöhne.“ Zuletzt beliefen sich die Produktionskosten auf ca. 5,3 Millionen Mark. Hochverschuldet sah sich die Ufa gezwungen, bei den amerikanischen Majors Paramount und MGM einen Kredit von 17 Millionen Reichsmark aufzunehmen. Im Rahmen des so genannten „Parufamet“-Vertrages verpflichtete sich die deutsche Seite zudem, 40 amerikanischen Filmen die Hälfte der gesamten Ufa-Leinwandkapazität zur Verfügung zu stellen und den Amerikanern die US-Rechte der eigenen Filme zu überlassen.

Entsprechend des deutsch-amerikanischen Vertrags wurde im Dezember 1926 eine Kopie von „Metropolis“ in die USA gebracht. Ein filmisch bis dahin nicht in Erscheinung getretener Bühnenautor namens Channing Pollock machte sich flugs an die Umgestaltung: Ein Viertel des Films wurde von ihm als überflüssig eingestuft, einige Szenenfolgen erhielten eine völlig neue Chronologie, Zwischentitel wurden entfernt oder neu hinzugefügt.

Die ursprüngliche, von Fritz Lang und seiner Frau und Drehbuchverfasserin Thea von Harbou autorisierte Fassung erlebte am 10. Januar 1927 im Berliner Ufa-Palast am Zoo ihre Premiere. Bis zum Mai hatten jedoch lediglich 15.000 Zuschauer das Werk gesehen. Die ratlose Chefetage entschied daraufhin, den Film zurückzuziehen, die von Pollock erstellte Fassung zu reimportieren und nach einer nochmaligen Überarbeitung in die deutschen Kinos zu bringen. Die immerhin 40 Kopien des eigentlichen „Director’s Cut“ scheinen vernichtet worden zu sein.

In den frühen 60er-Jahren, als sich langsam wieder ein Interesse an deutscher Filmgeschichte zu regen begann, bot sich den Rechercheuren in Bezug auf „Metropolis“ ein wahrer Scherbenhaufen. Die Bestände des Reichsfilmarchivs waren zerstört oder als Beutegut in die Sowjetunion verbracht worden. In den USA lag lediglich die Pollock-Version vor, in Europa kursierten diverse Schnipsel. Nachdem das Staatliche Filmarchiv der DDR von der UdSSR Teile des Reichsfilmarchivs ausgehändigt bekam, unternahm man dort einen ersten Rekonstruierungsversuch, stieß durch das Fehlen schriftlicher Dokumente aber immer wieder an Grenzen.

1979 dann ein erster Durchbruch: Ausgerechnet Underground-Regisseur Kenneth Anger („Lucifer Rising“) stieß während einer Australientournee auf eine ihm völlig unbekannte Fassung des Fritz-Lang-Klassikers. Euphorisch schrieb er in einem Brief nach Deutschland: „Eine fantastische Kopie, mit den originalen Farbtonungen, die Nachtszenen blau, Innenräume und Maschinenhallen in warmem Bernsteingelb.“ Offenbar handelte es sich um eine für den überseeischen Markt bestimmte Exportkopie. Sie bildete, zusammen mit einem im Museum of Modern Art lagernden Duplikatnegativ, den aus der Sowjetunion stammenden Fragmenten sowie der endlich aufgefundenen Zensurkarte, die Grundlage für die nun auf der Berlinale gezeigte Fassung mit eigens komponierter Musik.

Doch für Patalas geht die „Metropolis“-Story weiter: Im Rahmen seiner Ehrenprofessur an der HdK will er als nächstes ein DVD-Projekt realisieren. Als datenintensives Medium empfiehlt sich die Silberscheibe nämlich besonders zur Darstellung der verschiedenen Metamorphosen des Films. Einstellungen und Szenenfolgen, unterschiedliche Musikfassungen, Stand- und Arbeitsfotos, Drehbuch, Partitur, Zensurkarten zum Mitlesen – „jedem Betrachter seine eigene Montage“, so Enno Patalas.

CLAUS LÖSER

Soeben erschienen: Enno Patalas: „Metropolis in/aus Trümmern“. Bertz Verlag 2001, 176 S., 29,80 DM

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