: Die Feindaufklärerin
Die militante Rechte in Hamburg intensiviert die Beobachtung und Ausspionierung von Antifaschisten ■ Von Peter Müller und Andreas Speit
Die militante rechte Szene verstärkt und verfeinert ihre Feindaufklärung. Entsprechende Beobachtungen der taz hamburg bestätigt Hamburgs Verfassungsschutzchef Reinhard Wagner: „Wir registrieren eine systematische Intensivierung.“ Offenkundig suchen sich die „Anti-Antifa“-Aktivisten gezielt neue Betätigungsfelder, um an Nachrichten über den politischen Gegner zu kommen. So arbeitet seit einiger Zeit die „Anti-Antifa“-Aktivistin Thekla-Maria Kosche als Kurierfahrerin bei „City Express“ in Hamburg und hat, so mehrere Betroffene gegenüber der taz, durch ihren Job Einblicke in Firmen und Projekte der linksalternativen Szene gewonnen.
Dass Rechte linke Projekte ausfindig machen und in Steckbriefen auflisten, ist seit Gründung der „Anti-Antifa“ nicht neu. Auch dass ihre AktivistInnen bei rechten Märschen GegendemonstrantInnen ablichten, gehört zum Handwerk. „Ziel ist die Einschüchterung“, sagt Wagner. Doch langsam nehmen die Formen neue Dimensionen an: Verstärkt geraten bei Aufmärschen Journalisten ins Visier der „Anti-Antifa“-Fotografen. Antifaschistische Demos werden wie am Holocaustgedenktag observiert. „Neuerdings werden sogar Privatpersonen genannt und ihre Adressen veröffentlicht“, so Wagner.
Beim Neonazi-Aufmarsch am 28. Januar in Bramfeld gehörte Kosche zu den exponiertesten Auf-klärern. Die Akademikerin stammt aus Bad Segeberg und war dort führend beim Aufbau von Neonazi-Websites im Internet beteiligt. In den vergangenen Jahren war sie vornehmlich im „Bündnis Rechts Lübeck“ aktiv.
Im vorigen Jahr siedelte Kosche nach Kiel über. Dort sorgte ihre Tätigkeit für den Kurierdienst „Bikebote“ für Aufsehen, weil sich Firmen von ihr ausspioniert fühlten. Auf Beschwerden von Kunden bei „Bikebote“ teilte Geschäftsführer Rainer Johann im August mit: „Frau Kosche hat uns in mehreren persönlichen Gesprächen versichert, dass sie sich von der rechten Szene losgesagt hat, in die sie offensichtlich durch falsche Freunde hineingeraten ist.“ In einer „eidesstattlichen Versicherung“ habe sie zugesichert, dass sie sich in „keins-ter Weise politisch mehr betätigt“.
Obwohl Johann den Hinweisen zunächst keinen Glauben schenken wollte und dafür plädierte, „ihr eine Chance für einen Neuanfang“ zu ermöglichen, löste er sich drei Wochen später doch von der „Rechts-extremistin“, so Johann, „als wir die Überpüfung des uns aus der linksradikalen Szene zugespielten Materials abgeschlossen hatten“.
Bei „City Express“ in Hamburg zeigt man sich auf Anhieb entsetzt. Kosche ist dort inzwischen als freie Unternehmerin tätig und nur durch einen Vertrag der Vermittlungszentrale angeschlossen. „Eine völlig freie Zusammenarbeit“, sagt Manfred Ausländer von „City Express“. „Ihren Job macht sie gut, es hat keine Beschwerden von Kunden gegeben.“ Doch da die Fakten stimmten, meint Ausländer, müssten „adäquate Mittel ergriffen werden, um sie unter den Kurierfahrern zu isolieren.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen