Der springende Punkt im Namen

„Deutschlands jüngste Tageszeitung“ wildert mit bunten Bildern und fetten Prämien im Revier der „Badischen Zeitung“. Herausgeber Michael Zäh stellt mit seiner „zus.“ die Leser vor die Wahl – zwischen einer guten Zeitung und einer guten Zeitung

aus Freiburg DANIEL STOLTE

Fünfmal Massage mit Sauna oder 12 Kästen Bier? Das Finanzsoftware-Paket oder das Kinderstühlchen, das mitwächst? Michael Zäh, der Herausgeber der neuen Freiburger Tageszeitung zus., macht es seinen Abonnenten nicht leicht. Wer sich für „Deutschlands jüngste Tageszeitung“ entscheidet, wird reich beschenkt. Zusätzlich zu einer der erwähnten Prämien gibt’s mit der von Marketing-Profi Zäh erfundenen „Yellow-Card“ weitere Schmankerl, zum Beispiel Freifahrten mit Mietauto und – wir sind in Freiburg – Mietfahrrad, kostenloses Fitness-Training und Theaterkarten. Ach ja, und natürlich die Zeitung.

Die erscheint täglich außer montags. Vor drei Jahren hatte Zäh die kostenlose Zeitung zum Sonntag (ZuS) gegründet, die fortan jeden Sonntag in allen Freiburger Briefkästen steckte. Zwischendurch witterte der Hamburger Medienriese Gruner + Jahr die Chance, das Gratisblatt bundesweit aufzuziehen. Das Projekt ging in die Hose. Ein ZuS-Redakteur muss heute noch grinsen, wenn er sich an diese Zeiten erinnert: „Die haben ein paar Manager mit feinen Anzügen und Handys nach Karlsuhe und Heilbronn geschickt, die sich einbildeten, dort mal eben eine Zeitung etablieren zu können.“ Nach kurzer Zeit flohen sie entnervt aus der Provinz zurück in die Hansestadt. G+J verließ das sinkende Schiff, jedoch nicht, ohne zuvor Käpt’n Zähs Verbindlichkeiten von zehn Millionen Mark beglichen zu haben. Der legte sich jetzt erst recht ins Zeug.

Bei den Freiburgern kam das Sonntagsblatt prima an, warum nicht gleich eine Tageszeitung daraus machen? Gesagt, getan. Völlig durchgeknallt, der Mann, fanden andere Zeitungsexperten. Seit über fünfzig Jahren ist das Traditionsblatt Badische Zeitung unangefochtene Herrscherin über die Medienlandschaft in der Schwarzwald-Metropole – und weit über die Stadtgrenzen hinaus. Mit einer kostenlos verteilten Vorab-Ausgabe und dem reichhaltigen Prämienkorb hatten die „Zusler“ 6.000 Freiburger für ihre Sache begeistern können. Am 20. Januar war es so weit, die Abonnenten hatten die erste Ausgabe der Tageszeitung, die in Anlehnung an die nach wie vor erscheinende Sonntagsausgabe zus. getauft wurde, in ihren Briefkästen.

Frisch und unkonventionell kommt die junge Tageszeitung daher. Statt mit umfassenden, aber kleinteiligen Meldungen zu kleckern, klotzt das Blatt mit einem wuchtigen Aufmacher und halbseitigem Farbfoto, die Neugier auf den Leitartikel im Innern wecken sollen. Auch sonst haben sich die zus.-Macher manch Neues einfallen lassen. Auf der zweiten Seite gruppieren sich die wichtigsten Meldungen des Tages um eine Weltkarte, auf der die Orte des Geschehens verzeichnet sind – gefolgt von Nachrichten aus Freiburg und der Region. So gibt es neben den klassischen Ressorts Kultur, Politik und Sport auch eine regelmäßige „Campus-Seite“, wo Neuigkeiten aus der Hochschule und der tägliche Mensa-Speiseplan unters Studentenvolk gebracht werden

Für Herausgeber Zäh ist der unkonventionelle Look Programm: „Wenn wir schon neu aufmarschieren, wollen wir auch etwas Neues machen.“ Bei der Konkurrenz sieht man keinen Grund zur Panik. Die Badische Zeitung verkauft in Freiburg und Umgebung knapp 70.000 Exemplare, die zus. gerade mal 15.000.

Jürgen Busche, Chefredakteur der Badischen, gibt sich daher gelassen: „Die zus. ist was für Leute, die ein tägliches Magazin wollen, angereichert mit Tagesnachrichten.“ Die Badische hingegen müsse den Spagat zwischen Weltpolitik und Lokalsport leisten, mit allem, was an Regional- und Stadtnachrichten dazwischen liegt. Tatsächlich verkauft sich das alteingesessene Freiburger Blatt im südbadischen Umland wesentlich besser als in der Stadt selbst. Konkurrenz sieht Busche nur im Anzeigenmarkt, räumt aber ein, dass sich der Freiburger Zeitungsmarkt nach Lesergruppen spalten könnte: „Gefährlich wäre es, wenn sich die zus. als Zeitung für jüngere Leser etablieren könnte und die Badische das Image einer Zeitung für Ältere bekäme. Das heißt aber nicht, dass wir denen jetzt alles nachmachen werden. Man erkennt, dass sie eine eigene Vorstellung von Zeitung haben, und wir sind gespannt, was dabei herauskommt.“

Für Spannung ist tatsächlich gesorgt: Während die Redaktion der Badischen Zeitung in Stadt und Umland etwa 120 Redakteure beschäftigt, versucht Zäh mit 35 Blattmachern, „das Ding zu stemmen“. Einige von ihnen sind Überläufer, die genug von der Arbeit fürs Monopol-Blatt hatten: „Wann hat man schon mal die Gelegenheit, ein neues Medium zu schaffen?“

Herausgeber Zäh ist zuversichtlich: „Wir gehen das Risiko ein, weil wir glauben, dass die Leute eine neue Zeitung in Freiburg wollen.“ Zur Zeit sind es um die 150 Abonnenten pro Woche, bei einer Umfrage vor dem Start der zus. bekundeten 30.000 Haushalte Interesse. Viele wollten aber erst einmal abwarten, ob ihnen die Zeitung gefällt.

Um neue Leser nicht nur zu gewinnen, sondern auch zu halten, hat Zäh schon neue ausgefallene Ideen in petto. So soll es in der exquisiten Kagan-Lounge hoch über Freiburgs Dächern einen wöchentlichen „Yellow Monday“ geben, an dem das Lokal nur Yellow-Card-Inhabern offen steht und mit Kabarett oder anderen Kulturveranstaltungen aufwartet.

Was aber bedeutet der ominöse Punkt im Namen? „Einerseits die Tatsache, dass wir ein Projekt vollendet haben“, erzählt Zäh, „aber der Punkt spielt auch ein bisschen auf das Monopol der Badischen Zeitung an: Da muss man mal ’nen Punkt machen.“