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Neuland betreten nach Mitternacht

A Funky Cool Medina: Mit Starthilfe deutscher Partner hat Youssou N’Dour, der größte Star Senegals, in Dakar das Musikfestival „DK 24“ etabliert. Allmählich setzt sich das Konzept durch: 37 Gruppen aus Senegal und dem Rest der Welt trugen dazu bei, die Grenzen der Exotik aufzubrechen

von JAY RUTLEDGE

Eine leicht salzige Brise weht vom Atlantik herüber und lässt die Hitze des Nachmittags vergessen. Der Eingang des Kulturzentrums Douta Seck in der Medina, der Altstadt von Dakar, ist, wie immer bei Konzerten in Afrika, von einer dichten Menschentraube umgeben. Die meisten warten nicht darauf, eingelassen zu werden, sondern sind Schaulustige. Über dem Eingang hängt ein großes Plakat mit der Aufschrift: „Youssou N’Dour et Jololi presents: DK 24“.

Doch so richtig scheint kaum jemand zu wissen, was läuft. Als der Taxifahrer erfährt, dass für nur 1.000 Cefa (3 Mark) Eintritt Fatou Guewel, die populärste Mbalaxsängerin des Landes, sowie zwei der bekanntesten Rapgruppen Senegals, Daara J und Da Brains, außerdem Magic System, die derzeitigen Könige des Zouglu aus Elfenbeinküste, Patrice aus Deutschland und noch 12 andere Bands bei dem Festival auftreten, zieht er gleich sein Handy, um ein paar Freunden Bescheid zu sagen.

„Jede Menge Talent hier“, bemerkt Patrice später anerkennend beim Interview. „Schade, das es hier nicht auch die Möglichkeit gibt, die Musik auch gut zu produzieren.“ Mit seiner Gitarre zwischen den Beinen, sitzt er im Backstage-Bereich. Neben ihm kniet ein Freund von Boubacar N’Dour, der für den Sound zuständig ist, und fragt ihn auf Französisch, ob er nicht ein Stück zusammen mit der Gruppe Daara J aufnehmen möchte. Die Anwort: „No Problem“.

Wie und wann Patrice heute eigentlich auftreten soll, ist unklar. Und dass er überhaupt noch einmal spielen soll, hat er auch erst am Vormittag erfahren. Doch es stört ihn nicht: „Das ist genau mein Style, weißt du. Keine große Planung – einfach die Sachen so machen, wie sie kommen.“ Auch wenn es die Arbeit für Presse, Sponsoren und Bands nicht unbedingt erleichtert, wenn das Line-up auch zwei Tage vor dem Festival noch nicht feststeht. Aber inschallah – es wird schon werden.

Und es wurde: Alle der am Tag zuvor angekündigten 37 Bands traten auf, technische Pannen gab es so gut wie keine, und der Sound war gut. Am ersten Tag war das Kulturzentrum Douta Seck zwar nur schwach besucht. Aber schon am zweiten Tag hatte sich dann herumgesprochen, dass es bei „DK 24“ etwas zu sehen gibt. Und gegen 24 Uhr – um diese Zeit geht es in Dakar gewöhnlich erst langsam los – war auch diese Hürde genommen. Kein Wunder aber auch, schließlich stand da die Nr. 1 des Senegal höchstselbst auf der Bühne: Youssou N’Dour.

Bereits zum dritten Mal fand DK 24 damit statt – die Abkürzung steht für 24 Stunden Musik aus Dakar. Die Idee dazu wurde in Würzburg, beim dort ansässigen „Africa Festival“ geboren. Den Veranstaltern schlug Youssou N’Dour damals eine Kooperation vor. „Es ging dabei nicht um finanzielle Förderung“, erklärt Stefan Oschmann aus Würzburg. „Es geht um die Erfahrung: Wie tritt man an Sponsoren heran? Wie gestaltet man Bühnenabläufe? Wie funktioniert Promotion? Wie organisiert man den Transport? Wie verteilt man Kompetenzen? Wie macht man Verträge mit den Gruppen und so weiter“. Das klingt banal, für ein Festival. Aber, ergänzt Youssou N’Dour im Interview, „so etwas wie ein Festival ist Neuland für Afrika. Die Leute hier sind es gewöhnt, ein Konzert eines Künstlers in einem Nachtclub zu sehen.“ Musik als Service. Das bedeutet auch: Bewährter Service wird honoriert, Begegnung mit Neuem eher gemieden.

Die Seriösität und die Erfahrung der Würzburger Veranstalter hat daher geholfen, die Unterstützung potenter Partner wie Mercedes zu bekommen, das die Fahrzeuge für die Transporte der Musiker zur Verfügung stellten, oder Siemens, das die Computer beisteuerte, mit deren Hilfe Fotos von DK 24 sofort ins Internet gestellt werden konnten. Die deutsche Botschaft wiederum übernahm die Kosten für den Auftritt des deutschen Gaststars, des Reggaemusikers Patrice, sowie die nicht unerheblichen Ausgaben für den Kommunikationsetat.

Bei aller Unterstützung aber ist DK 24 im Wesentlichen einem Mann zu verdanken: Youssou N’Dour. Nicht nur, weil er als einer der wenigen in Senegal im Besitz einer professionellen Musik- und Lichtanlage ist. Auch was die Organisation angeht, verfügt er mit seiner Promotionfirma Jololi über ein Team, das eine Veranstaltung einer solchen Größenordnung bewältigen kann. „DK 24 wird ein Defizit“, meint Stefan Oschmann, „Youssou N’Dour wird aus eigener Tasche wohl ungefähr 50.000 DM drauflegen müssen.“ Eine Menge Geld im Senegal. Aber auch eine Investition in die Zukunft. „In Würzburg haben sie ja auch klein angefangen“, erklärt Youssou N’Dour selbstbewusst. Und führt weiter aus: „Für mich geht es bei diesem Festival auch darum, dass die Leute endlich verstehen lernen, dass wir nicht immer nur die populären Bands bringen können. Es geht um gute Musik. Die Künstler entscheiden, was und wie sie spielen wollen. Denn Kunst ist keine Dienstleistung.“

Auf dem Festival waren deshalb gerade auch solche Gruppen zu hören, die sich im Senegal sonst schwer tun, eine Bühne zu finden. Das Ballet Bakalama etwa, eine traditionelle Diola Tanztruppe, oder die von Baaba Maal protegierte Gruppe Ndillan, die traditionelle Musik der Pulaar spielt. Anders, aber ebenfalls ungewöhnlich im Senegal, sind Singer/Songwriter wie Pape und Cheikh mit ihrer modern-akustischen Mischung aus verschiedenen Regionalstilen Senegals, die auch schon im vergangenen Jahr in Würzburg zu sehen waren.

Natürlich gab es auch jede Menge neue Stars des Mbalax, der populärsten Musik Senegals, zu sehen: Fatou Laobe, Secka, oder Ndeye Diarra Gueye ließen ihre Sabar-Rhythmus-Salven auf das begeisterte Publikum nieder. Schwerpunkt des diesjährigen Festivals aber war der Rap: 15 Gruppen hatte man aus gut 2.000 Crews, die es mittlerweile im Senegal gibt, ausgewählt. Das Spektrum reichte dabei von Ragga über R ’n’ B bis hin zu Hardcore-Rap wie bei Yat Fu. Gruppen wie Pee Froiss oder Da Brains, die schon zur Old School des Senegals zählen, gabe sich die Ehre, ebenso Newcomer wie die Black Muslims oder Rak Tak Squad. Senegal, davon konnte man sich auf dem Festival überzeugen, hat mit Sicherheit genug Talente, um damit ein eigenes Festival zu bestreiten. Aber dass man auch Gruppen aus Frankreich und den USA oder das Duo Amadou & Mariam aus dem Nachbarland Mali einlud, machte den Reiz des Festivals aus: Es brach die Grenzen der Exotik auf.

Nahtlos fügte sich nach dem Auftritt von Daara J die Pausenmusik von Wyclef Jeans neuem Album ein. Und als Patrice am Ende seines Auftritts die Gruppe zum gemeinsamen Jam wieder auf die Bühne holte, wurde deutlich, wie nahe gerückt sich heute die musikalischen Welten sind.

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