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Kampf der Clowns

Raab oder Schmidt? An dieser Frage scheiden sich selbst studierte Geister, der Diskurs wird immer biestiger. Eine Wortmeldung aus englischer Sicht

von JOHN WOODHEAD

Ohne Stefan Raab bliebe der deutsche Humor ein provinzieller Scherz – lustig bis zu einem gewissen Punkt, ständig über seine eigenen Füße stolpernd, um einen clownesken Lacher abzustauben, aber dabei immer unerträglich höflich – und darauf bedacht, den lieben Nachbarn nicht zu sehr zu verletzen.

Gut, auch vor Raab hat der Vorhang schon mal geraschelt, wurde aber nie weggerissen. Vor Raab war Comedy wie eine alte Jungfer, die plötzlich mal etwas Neckisch-Freches sagte und sich auch gleich dafür entschuldigte. Nach dem Konsum diverser Sendungen von der „Wochenshow“ bis zur „Versteckten Kamera“ kam es mir jedenfalls so vor, als würden deutsche Entertainer mehr Zeit damit verbringen, sich im Namen von Comedy gegenseitig anzugähnen, als den Zuschauern das zu geben, was sie wollen. Oder wenigstens Jahrzehnte mittelmäßiger Humoristerei ein für alle Mal über den Haufen zu werfen. Was auch immer an kosmetischen Veränderungen passierte, diente lediglich zur Verschleierung der Tatsache, dass einige dieser Kömödianten ihr Verfallsdatum satt überschritten hatten.

Die Machart war immer gleich: Mach dich lustig, aber sei vor dem Schlafengehen wieder lieb und nett und erzähle allen, wie schrecklich witzig sie gewesen sind – wie in „Versteckte Kamera“ oder „Lukas“.

Bloß keine Tränchen, kein Zähneknirschen, nie wirklich zubeißen – weder in der „Wochenshow“ noch bei Harald Schmidt. Daher wird vom Publikum erwartet, den selbstverliebten Talenten durch pflichtgemäßes Glucksen Respekt zu zollen.

Was gespielte Witze anbelangt, bedienen sie sich alle eines ungeschriebenen Hollywood-Gesetzes: „Zeige dem Publikum, was du tun wirst. Mach’s. Dann erzähle ihnen, dass du es getan hast.“ Bei Charlie Chaplin wussten wir, dass er in ein Loch fallen würde, er fiel in ein Loch, dann kletterte er heraus und warf einen letzten Blick zurück ins Loch.

Raab ist ein Satiriker der wahrhaft populären Form. Er behandelt Dinge, über die auch die „Zlatko-Generation“ lacht, nicht die angesagtesten „In“-Witze, die man im Café Einstein aufschnappen kann. Ihm ist es gleich, über wen er sich lustig macht oder wen er angreift – ob es nun Kanzler Schröder mit seinem Bierdurst oder die streitsüchtige Nachbarin am Maschendrahtzaun ist.

Er macht Witze auf Kosten seiner Gäste. Kein Wunder, dass sich Aleksandra Bechtel unwohl fühlte, als sie zu „TV Total“ eingeladen wurde, um für „House of Love“ zu werben. Als Raab die Show als „Gruppensex“ bezeichnete, drückte er aus, was jeder Zuschauer dachte und womöglich auch die Wahrheit ist – was aber weder Sat.1 noch Aleksandra Bechtel jemals zugeben würden: der einzigen Grund, sich „House of Love“ anzuschauen.

Satire ist sinnlos, wenn sie nicht gefährlich ist. Sie bringt zum Lachen, weil sie unter die Gürtellinie zielt. Und deshalb ist es jedesmal ein erfrischender Anblick, wenn Stefan Raab über das Geländer ins Studio rutscht. Ziel seiner Attacken ist jeder, der im Fernsehen auftaucht oder sich auf sein Sofa wagt. Je prätentiöser die Gäste, umso wahrscheinlicher und rascher der Fall.

„TV Total“ hält das Fernsehen selbst für einen Witz, und mit ihm alle, die darin auftreten – etwas, das Harald Schmidt oder Thomas Gottschalk nie tun würden. Sie halten fest am Mythos Fernsehen – und damit an ihrem eigenen Status als Stars und Zaubermeister einer hohen Kunst. Raab zeigt, wie der Trick funktioniert. Er gibt ehrlich zu, dass er sozusagen das Handbuch gelesen hat, dass es kein Geheimnis und keine Magie gibt.

Zusammen mit Hape Kerkeling hat er dem Medium seine Verlogenheit ausgetrieben. Beide nutzen sie eine Mischung aus Genres, um auf diesem Umstand hinzuweisen: Kerkelings Praxis der Verkleidung etwa ist wundervoll ungehobelt. Als er Angela Merkel auf dem Podium beim CDU-Parteitag als Kellner zur Seite stand, tat damit die deutsche Comedy einen großen Schritt vorwärts. Harald Schmidt hätte diesen Einfall höchstens als einzeiligen Scherz in einem seiner Monologe verborgen. Kerkeling und Raab gehen raus und machen es tatsächlich.

Es ist für Freunde des britischen schwarzen Humors schwer einzusehen, was an Harald Schmidt so avantgardistisch sein soll. Ich habe das alles schon mal gesehen, schon vor Jahren. Alles – der Stil, das Set, der Monolog, die Band, bis hin zum Stuhl, der unmerklich höher ist als der seiner Gäste – ist eine Kopie amerikanischer Late Night Talkshows. Trotzdem war Schmidt nützlich. Er hat Stefan Raab Tür und Tor geöffnet.

Natürlich hat Schmidt den nötigen Esprit. Wer sonst würde sich trauen, im deutschen Fernsehen zu sagen: „Natürlich haben die Deutschen Humor: Was ist mit dem Zweiten Weltkrieg?“ Ein eingefleischter TV-Unterhalter ist er dennoch nicht.

Schmidt entspringt der Hamburger Kabarett-Szene, Raab kommt von MTV. Schmidt ist ins Fernsehen transplantiert, Raab geht als Vertreter der Generation X aus dem Fernsehen hervor.

In erster Linie haben also Raab und Kerkeling „Old School“-Talente wie Harald Schmidt dabei ertappt, wie sie sich Ideen und Formate anderer Leute ausleihen. Wenn dadurch nun die intellektuelle Elite in Deutschland ihre Fernsehunterhaltung bedroht sieht, ist das genau der richtige Effekt. Wenn sie sich hinter Worten wie „Kunst“ und „Anspruch“ versteckt, dann deshalb, weil sie müden Ideen und faulen Stars aufgesessen ist.

John Woodhead ist Deutschland-Korrespondent der „Sunday Times“

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