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Waldgehüpfe

Es war alles in Ordnung im Italien des Duce. Alle waren froh: „Il Cielo Cade – The Sky will Fall“ (Kinderfilmfest)

Nicht unbeliebt ist der Kunstgriff, Zeitgeschichte aus Kindersicht zu verfilmen. Der Blick der Kleinen soll unverstellt sein, Gut und Böse benennen und den Zuschauer wieder an ursprüngliche, längst verschüttete Gefühlswelten heranführen. Allzu oft aber dient er nur als Alibi, die guten alten Zeiten ein wenig romantisierend darzustellen.

So auch in „Il Cielo Cade – The Sky will Fall“, der mit einem für einen Kinderfilm beträchtlichen Staraufgebot die authentische Geschichte einer jüdischen deutsch-italienischen Familie in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs nachstellt. Die Kinder hüpfen durch Wald und Flur und zeigen sich beim Baden im sanft plätschernden Flusslauf die primären Geschlechtsteile, während der Krieg meist nur eine ferne Ahnung aus dem Radio und den Gesprächen der Erwachsenen bleibt. Selbst der italienische Faschismus ist eher eine lustig kostümierte Veranstaltung, die versuchte Vergewaltigung durch schwarz Uniformierte eine Slapstick-Einlage.

Auch die hochkarätigen Darsteller, darunter Isabella Rosselini und Jeroen Krabbe, stehen holzschnittartig in den historisch exakten Kulissen herum und imitieren die heile Welt der Großgrundbesitzer als Zustand der gelangweilten Vergeistigung. Ansonsten lernen wir von der steifen Inszenierung: Den quasi in Leibeigenschaft lebenden Bauern ging es prächtig, und der Lehnsherr ist ein guter Kumpel.

Es war also alles in Ordnung im Italien des Duce. Erst als Mussolini abdanken muss und sich die deutschen Besatzer aus Italien zurückziehen, gerät das Leben aus den Fugen. Das grausige Ende, die Auslöschung der Familie schließlich, wirkt nicht nur sinnlos in seiner historischen Dimension, sondern zudem auch noch dramaturgisch unpassend.

THOMAS WINKLER

„Il Cielo Cade – The Sky will Fall“, Regie: Andrea & Antonio Frazzi, Italien, 102 Minuten

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