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Raum in Raum

Mit seiner Aktion „Death Disco Club“ installierte der Konzeptkünstler Klaus Weber einen Club im Freien – und bekam eine Menge Ärger mit der Polizei

von ANDREAS HARTMANN

In den ersten beiden September-Tagen des letzten Jahres fand unter dem Fernsehturm am Alexanderplatz und dann auf einem Parkhausdeck von DaimlerChrysler am Gleisdreieck ein recht eigenwilliges Happening statt: der Death Disco Club. Konkret sah das so aus, dass jede Menge DJs und Underground-Acts der elektronischen Musik wie Mo, Farben, Chicks On Speed und Schorsch Kamerun Platten in einem komfortablen Kombi (Mercedes, V-Klasse) auflegten.

Diese Sets wiederum konnten mit Kofferradios und Ghettoblaster live über die Radiofrequenz 104.1 empfangen werden. So saßen am ersten Tag von nachmittags bis nachts viele junge Menschen entspannt vor ihren Radios und nutzten den Event zum spontanen Beisammensein. Das gleiche Bild am nächsten Tag auf dem Parkhausdeck. Allerdings nur bis circa 1 Uhr. Dann war Schluss.

Der Wagen mit dem Sender wurde weggefahren, und schon stand auch die Polizei da. Schluss mit der Party, hieß es. Nicht etwa weil es zu laut gewesen wäre, „Zerstört DaimlerChrysler“-Parolen mit Blut an die Wände geschmiert worden wären oder Alkoholleichen vom Parkdeck fielen. Nein, weil es hieß, hier würde ein illegaler Sender betrieben. Der wurde mit Peilwagen geortet, die anscheinend Tag und Nacht in Berlin herumkutschieren, um das kaum noch kontrollierbare Problem der Piratensenderei in Berlin in den Griff zu bekommen.

Klaus Weber, der den Death Disco Club initiiert hatte, half alles Beteuern nichts, dass es sich bei dem Death Disco Club um eine mit Senatsgeldern finanzierte kulturelle und vor allem temporäre Aktion handeln würde. Nein, nein, illegal bleibt illegal, da könnte ja jeder kommen.

Jetzt hat Klaus Weber ein Problem. Er hat prompt eine Anzeige bekommen. Zwar wurde seitens der Polizei der Sender nie im Sinne eines Beweisstücks gefunden, doch allein die Peilung reicht der Polizei als Beweis. „Im Prinzip waren nach der Aktion alle sauer“, sagt Klaus Weber. DaimlerChrysler, die das Parkhaus unentgeltlich zur Verfügung gestellt hatten, das städtische Superkommando gegen Piratensenderei, und nicht zuletzt der Senat, der sich nun mit dem Vorwurf konfrontiert sieht, Aktionen zu unterstützen, bei denen, so die Anklage, „Steuergelder zweckentfremdet würden“. Steuergelder in der unfassbaren Höhe von 9.000 Mark. Klaus Weber ist nun in der Zwickmühle, dass er sich eigentlich naiv geben müsste, was das kurzzeitige Anzapfen einer Radiofrequenz betrifft.

Schließlich will er sich nicht vorwerfen lassen, wissentlich den Senat hintergangen zu haben. Doch andererseits ging er bei der Planung seiner Aktion einfach nicht davon aus, sofort gepeilt zu werden. „Ich habe damit gerechnet, doch ich hielt die Wahrscheinlichkeit für ziemlich gering“, betont er. Zwei Tage lang Spaß zu haben, der eigentlich niemandem weh tut, da heiligt der Zweck auch mal die Mittel im Grenzbereich zum Illegalen. So dachte Klaus Weber sich jedenfalls.

Er selbst sieht sich als Konzeptkünstler, der sich in seiner Arbeit mit, wie er es formuliert, „Subjektivierungsprozessen in Relation zu Raumstrukturen“ beschäftigt. „Ich interessiere mich dafür, wie Raum genutzt wird und wie man Raum auch anders benutzen kann“, erklärt er. Und das ganz im situationistischen Sinne einer Aneignung des Raums durch psychogeografische Praktiken, die vom reinen Flanieren bis hin zu eben einer Aktion wie dem Death Disco Club reichen können. Weber war außerdem einer der Mitinitiatoren der vor zwei und drei Jahren initierten Innenstadtaktionen, hat für diese kleine Kino-Trailer zu den Aktionen produziert und spielt nebenbei in der Konzeptband Zigaretten Rauchen, die immerhin mit der kuriosen Single „Männer“ einen kleinen Hit hatte.

Die Idee für den Club im öffentlichen Raum bekam er bei der Love Parade vor vier Jahren. Dort fuhr die „MS Sanssoussi“ als Partyschiff die Spree entlang. An einer Anlegestelle im Montbijou-Park hieß es dann plötzlich, dass es hier keine Genehmigung für eine Party geben würde. Also musste das Schiff weiter in den Tierpark fahren. „Doch die Leute waren schon so aufgepuscht, dass sie hier bleiben wollten. Haben mit Bänken ein Lagerfeuer gemacht, und weil es kein Soundsystem gab, drehte plötzlich einer sein Autoradio mit Kiss FM auf. Andere machten das gleiche, und plötzlich dachte ich, jetzt könnte alles Mögliche passieren. Entweder eine Mikrorevolution oder es würde total ekelhaft werden.“ Diesen Moment der Ungewissheit wollte Klaus Weber beim Death Disco Club reproduzieren. Was ihm auch völlig gelungen ist. Der Aktion unter dem Fernsehturm attestiert er, dass „alles so gekommen ist, wie ich es mir vorgestellt hatte“. Und fügt hinzu: „Leider“.

Death Disco Club – Soli-Party. Heute Abend im WMF. Ab 22 Uhr (pünktlich). Mit Farben, Mo, Robert Lippok und vielen anderen.

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