: Napster ist tot, der Musiktausch lebt
Gericht bestätigt: Die Internetbörse Napster darf kommerzielle Musik nicht mehr gratis vermitteln. Dezentrale Tauschsysteme könnten davon profitieren. Bertelsmann begrüßt die Entscheidung und will Napster gebührenpflichtig machen
von RALF GEISSLER
Die Musikbranche jubelt. Ein Berufungsgericht in San Francisco entschied am Montagabend, dass die Internettauschbörse Napster keine geschützten Musiktitel mehr gratis übermitteln darf. „Das Urteil ist ein Sieg für Künstler und Musikindustrie“, sagte Wolf Gramatke, Vorsitzender der Deutschen Landesgruppe der Internationalen Gesellschaft der Phono-Industrie.
Doch vielleicht freut sich die Branche zu früh. „Die Musikindustrie hat lediglich Zeit gewonnen“, meint der Geschäftsführer des Internetdienstes MP3deutschland.de, Matthias Weber. Denn längst arbeiten Programmierer an Software, mit der im Internet ebenfalls Musik ausgetauscht werden kann. Peer-to-Peer nennen sich diese Systeme, die keinen zentralen Rechner mehr brauchen. Jeder Surfer kann mit entsprechender Software bei anderen Onlinern Musikfiles suchen und sich runterladen. Umgekehrt kann auch jeder Musikfiles bereitstellen. Wegen der Dezentralität können Gerichte oder Industrie den Austausch nur schwer unterbinden.
Schon Napster hatte argumentiert, dass es auf seinen Rechnern lediglich Links zu Nutzern sammelt, die Musik anbieten. Das Unternehmen sei nicht dafür verantwortlich zu machen, wenn urheberrechtlich geschütztes Material getauscht werde. Es verglich sich mit Herstellern von Videokassetten. Auch diese seien nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes nicht für den Schaden durch illegale Filmkopien haftbar.
Das Gericht forderte dennoch die Links zu kostenlos angebotenen aber urheberrechtlich geschützten Werken von den zentralen Napster-Rechnern zu entfernen. Auch der Bertelsmann-Konzern, der im Sommer seinen Millionenkredit an Napster in Unternehmensanteile umwandeln will, begrüßte die Gerichtsentscheidung. „Sie hilft, berechtigte Ansprüche von Copyright-Inhabern und die wichtigen Interessen der Napster-Nutzer auf eine gemeinsame Basis zu bringen“, teilte der Konzern mit.
Gemeinsame Basis heißt für Bertelsmann: Die Napster-Nutzer sollen zahlen, die Urheber bekommen Tantiemen. Eine Konkurrenz in Peer-to-Peer-Systemen sieht Frank Sarfeld, Unternehmenssprecher der Bertelsmann eCommerce Group, nicht. „Die dezentralen Netze sind bei weitem nicht so einfach zu bedienen wie Napster. Neunzig Prozent der Leute sind da überfordert.“ Eine Marktuntersuchung habe gezeigt, dass drei Viertel der 63 Millionen Napster-Nutzer bereit wären, monatlich 15 US-Dollar für das Herunterladen der Musik zu zahlen. Der Betrag könnte auch die Plattenindustrie überzeugen, weil der Download viele zum CD-Kauf animiere. „Napster-Nutzer geben vier Mal so viel Geld für Musik aus wie andere User.“
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