: Katalysator zwischen Jung und Alt
Ein generationenübergreifendes Projekt: Juan de Marcos González, Visionär zwischen Son und Timba, und seine Afro Cuban All Stars in der Fabrik ■ Von Knut Henkel
Mit dem Nachspielen von Son-Klassikern hat Juan de Marcos González wenig am Hut. Der Tausendsassa im Dienste der kubanischen Musik setzt auf die „fusión“ – die Verschmelzung. Jung und Alt führt er zusammen und ganz nebenbei kriegt er es hin einem Son knackige Timba-Elemente unterzujubeln.
Lässig sitzt Felíx Baloy im legendären Egrem-Studio in der Calle San Miguel am Klavier und wartet auf seinen Einsatz. Das Mikrofon wandert langsam an die Lippen, der 57-Jährige holt noch einmal Luft, und auf den Punkt kommt sein Einsatz zum letzten Gesangspart von „Baila mi Son“. Juan de Marcos González, Bandleader der Afro Cuban All Stars, nickt zufrieden. Das Stück sitzt. Er hebt die Arme, blickt in die Runde und leitet das Ende des Stückes ein. Luis „Achy“ Lang lässt die Finger zum Finale über die Tas-ten gleiten, „Jorgito“ Reyes zupft seinen Bass und Juan de Marcos läßt die Arme sinken – Schluss.
Bueno, die Musiker sind zufrieden. Felíx Baloy rückt seinen weißen Panamahut zurecht, erhebt sich vom Klavierhocker und vertritt sich die Beine. Juan de Marcos korrigiert einige Feinheiten auf den Notenblättern, zündet sich eine neue Zigarette an und grinst Baloy freundlich an: Mit seinem derzeitigen Leadsänger ist der schnauzbärtige Rastamann sehr zufrieden. Seit dem frühen Morgen sind die Afro Cuban All Stars bei der Probe. Einige Sets sollen heute noch eingespielt werden – Feinschliff an einem neuen Album. Doch im wesentlichen bereiten sich die Afro Cuban All Stars auf ihre Europa-Tournee, und die steht ganz im Zeichen von Baloy, einem der letzten großen Soneros der Insel.
Baloy, mit seinen 57 Jahren eher ein jugendlicher Vertreter der Buena Vista Social Club-Generation, freut sich darüber, dass es nach 40 Jahren auf der Bühne dann doch noch geklappt hat mit dem eigenen Album. Zu verdanken hat er diese Chance der Hartnäckigkeit Juan de Marcos González'. Der wollte unbedingt mit dem Gentleman des kubanischen Son zusammenarbeiten, hatte seine All Stars zusammengetrommelt und einfach angefangen aufzunehmen, obwohl es noch gar keinen Plattenvertrag gab. „World Circuit, mit denen ich zuvor zusammengearbeitet habe und die die ers-ten beiden Afro Cuban All Stars-Platten produziert haben, hatten leider kein Interesse“, bedauert de Marcos. „Erst als die Platte schon zur Hälfte eingespielt war, kam die Zusage von Tumi-Music“, erinnert sich der Tausendsassa im Dienste der kubanischen Musik.
Der 46-jährige Musiker hat sich wie kein anderer für die Wiederentdeckung der traditionellen kubanischen Musik stark gemacht. Mit den All Stars, aber auch mit dem Buena Vista Social Club, den er ini-tiierte, hat er längst vergessene Musikstile und Musiker ins internationale Rampenlicht katapultiert. Doch das ist für ihn nicht mehr als ein erster Schritt. „Es gibt andere Musiker, alte und junge, die Unterstützung brauchen und mein Ziel ist es Alt und Jung zusammenzubringen“, sagt er, seine „Popular“ im überquellenden Aschenbecher ausdrückend. „Die Generationen sollen voneinander lernen, denn das ist die einzige Form, um die Musik, die die Alten geschaffen haben, zu bewahren“.
Felíx Baloy ist dabei ein Sonderfall. Er gehört zwar zu den herausragenden Son-Sängern Kubas, ist aber wesentlich jünger als Ibrahím Ferrer, Raúl Planas oder gar Compay Segundo. Sein Stern ging erst nach der kubanischen Revolution auf. Als Sänger bei Tropicuba, Son 14 oder Adalberto Alvarez y Su Son hat er sich schnell einen Namen gemacht und beherrscht auch moderne Stile aus dem Effeff. Denn Juan de Marcos geht es um mehr als den Erhalt der traditionellen Musik. Er will sie auch weiterentwickeln, fusionieren mit aktuellen Einflüssen wie der kubanischen Timba. „Salsa oder deren aktueller Stil, die Timba, ist schließlich aus dem Son montuno entstanden, und beide Stile zu verbinden, ist wie ein Treffen junger und alter Musiker.“
Als Katalysator zwischen jung und alt fungiert dabei Juan de Marcos: Der Benjamin bei den All Stars kommt gerade auf 23 Jahre, während deren Ältester derzeit 66 Lenze zählt. Während die einen in der Timba zu Hause sind, finden sich die anderen blind im Son, Danzón oder der Guracha zurecht.
De Marcos freut sich darüber, dass sich in der aktuellen kubanischen Timba mittlerweile wieder vermehrt Anklänge an die alten Stile finden. Ein Erfolg des Booms, den der Buena Vista Social Club ausgelöst hat, ist er sich sicher: „Viele junge Musiker beschäftigen sich mit ihren musikalischen Roots und verschmelzen Altes mit Neuem, wie die Orishas, die Rap und Son verbinden. Das sind wegweisende Projekte, die man nur unterstützen kann.“ Ein neues Projekt mit Rappern aus seinem Viertel, Alamar, hat er bereits angeschoben. Doch erst einmal gilt seine ganze Aufmerksamkeit Felíx Baloy – einer der großen Figuren der modernen kubanischen Musik. Echale Salsita.
mit Alex Wilson & Band: Montag, 21 Uhr, Fabrik
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