piwik no script img

Wo die wilden Kerle klönen

Wettbewerb außer Konkurrenz: Emir Kusturica inszeniert mit „Super 8 Stories“ das Image seiner Band No Smoking

Sie küssen und sie schlagen sich. Ständig kabbeln und keilen sich Emir Kusturica und sein Sohn Stribor, der als Schlagzeuger in der gleichen Band wie sein Vater spielt, im Backstagebereich.

Solch private Einblicke bietet Emir Kusturica in seinen „Super 8 Stories“, die doch vor allem das Dokument einer Band sind: No Smoking, Stars schon im früheren Jugoslawien, der Emir Kusturica seit 12 Jahren als Bassist und Ehrenmitglied angehört. Sein Film begleitet die Chaostruppe auf Europatour, in der Volksbühne in Berlin wie in Paris.

Doch die „Super 8 Stories“ sind kein Konzertfilm, sondern ein Bandporträt. Wie schon in Wim Wenders’ „Buena Vista Social Club“-Doku werden die Protagonisten anhand charakteristischer Szenen vorgestellt, oft mit parodistischem Dreh. Eine Persiflage auf den gediegenen „Buena Vista“-Ästhetizismus sind die „Super 8 Stories“ aber nur bedingt, in ihrer Typologisierung weisen beide Filme durchaus Parallelen auf: Da ist Dejan, der mit seiner Tuba sein Geld auf Beerdigungen verdient, die auf dem Balkan traditionell von Blasmusik begleitet werden. Und da ist der Geiger Dejan, der von Kindesbeinen an eine klassische Ausbildung genoss und heute den Violinen-Punk gibt. Meist aber sieht man sie zusammen im Bus herumalbern wie auf einem Schulausflug. „Weißt du, warum sie das Colosseum gebaut haben?“, fragt Bandleader Nele seinen Sitznachbarn, während Rom am Fenster vorbeirauscht. „Damit Bruce Lee dort Chuck Noris fertig machen kann“, antwortet der, bevor er Nele mit gespieltem Kung-Fu-Kinnhaken außer Gefecht setzt.

„Stop making nonsense!“, will man da rufen, wirkt doch der Hang zum Dauerklamauk, wie oft bei Kusturica, ermüdend. Nebenbei aber erfährt man auch etwas über die Mechanismen des making of a band. Anders als in Jugoslawien sind No Smoking in Westeuropa noch weitgehend unbekannt. Das Foto-Shooting und der Videodreh, die der Film einfängt, dienen nicht zuletzt dem Zweck, der Band ein Image zu verpassen. Und das lautet: „Wir sind schon ein wilder Haufen lustiger Balkanesen.“

Diese Botschaft befördern auch die „Super 8 Stories“. Ausgeblendet bleibt dabei der höchst spannende historische Hintergrund. Schließlich gilt die 1980 in Sarajevo gegründete Band als musikalischer Wegbereiter eines Folk-Punk-„Primitivismus“ und produzierte vor dem Krieg im TV sogar eine eigene Satiresendung, die „Hitparade der Surrealisten“. Doch selbst die postjugoslawische Realität streift der Film nur. In der Schlussszene setzt der Tubaspieler auf einem Boot über einen Fluss, im Hintergrund eine von der Nato zerstörte Brücke. Dass sich No Smoking während der ersten Angriffe an den Protestkonzerten auf den Brücken von Belgrad beteiligten und wie sie heute über die Lage in ihrem Land denken, das hätte man doch gerne erfahren.

DANIEL BAX

„Super 8 Stories by Emir Kusturica“.Regie: Emir Kusturica. Dokumentarfilm, Jugoslawien, 90 Minuten

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen