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Die Objekte der Begierde besuchen

■ Morgen marschieren Christian Worchs „Freie Nationalisten“ durch die Innenstadt. DGB warnt Ausländer vor braunem Mob

Die Hamburger City gleicht am Samstag einer Festung. Über 4000 PolizistInnen aus dem ganzen Bundesgebiet mit Wasserwerfen und Räumpanzern bietet die Stadt auf, um dem Neonazi Christian Worch und seine „Freien Nationalisten“ den Weg durch die Innenstadt parallel zur Mönckebergstraße zu bahnen. Immer mehr Organsationen rufen indes dazu auf, den braunen Mob nicht „widerspruchslos laufen zu lassen“ und „die Wochenendeinkäufe in der Innenstadt zu erledigen“. JedeR solle dabei auf seine Art zur Verhinderung des Aufmarsches beitragen.

Bei den Gewerkschaften hat die Marscherlaubnis der Innenbehörde auch deshalb Entsetzen ausgelöst, weil der Senat sonst im Zusammenhang mit dem „Standort Hamburg“ immer sehr auf Imagepflege bedacht sei. Da die Sicherheit von AusländerInnen so nicht gewährleistet sei, warnt DGB-Landeschef Peter Deutschland insbesondere ausländische BesucherInnen der Reisemesse, ins Zentrum shoppen zu gehen. Ansonsten haben der DGB-Nord und die Gewerkschaften GEW und IG Metall ihre Mitglieder aufgefordert, an den Protestaktionen und der von der Regenbogen-Bürgerschaftsgruppe angemeldeten Gegendemo (10 Uhr, Domstraße) teilzunehmen.

Wie ernst es die Innenbehörde auch sonst mit ihren vollmundigen Bekundungen im Kampf gegen rechts nimmt, zeigt die Neonaziaktion am Mittwochabend am Dammtor. Unbeachtet von jeglicher Gegenöffentlichkeit marschierten 100 Rechte mit Fackeln und schwarzen Fahnen vor dem Kriegsklotz auf, um an das Bombardement Dresdens zu erinnern und einen Kranz niederzulegen. Motto des braunen Spuks: „Kein Vergeben, kein Vergessen“. Obwohl der Marsch am Montag angemeldet worden war, so Polizeisprecher Reinhard Fallak, war die Aktion von der Polizei geheimgehalten worden.

Auch mit der für Sonnabend mit den „Systembehörden“ vereinbarten Route kann Neonazi-Chefideologe Worch mehr als zufrieden sein, lässt die Polizei ihn doch zu vier Objekten seiner Begierde marschieren, die ihm noch im vergangenen Jahr verwehrt geblieben waren. So waren Aufmärsche im Rahmen seiner Kampagne „Die Presse lügt“ vor dem Heinrich Bauer-Verlag (Meßberg), dem Spiegel-Verlagshaus (Brandstwiete) und der Redaktion der Zeit (Speersort) nicht möglich gewesen, weil der Regenbogen durch Anmeldungen die Aufmarschräume wochenlang blockiert hatte. Und auch ein Aufzug vor der Innenbehörde war noch im Juni von Innensenator Hartmuth Wrocklage als „unerträglich“ verboten worden. Peter Müller

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