: Masse oder Klasse? Jedenfalls nicht Messe
■ Von wegen Messestadt: Anders als mal vorgesehen, wirtschaftet die „Messe Bremen“ bis heute weitgehend regional
Bremens Bürgerweide wird zurzeit mal wieder von Bauzäunen begrenzt. Vor dem langgestreckten Band der Messehallen entsteht in Findorffer Richtung die neue Halle 7 – in erster Linie als Ergänzung für die Stadthalle. Und dadurch, so Messe-Chef Rolf Henkhaus, auch als Entlastung für die Ausstellungen der Messe GmbH.
Aber hat die denn Entlastung nötig? Rolf Henkhaus gewährt einen Blick ins Buchungsprogramm auf seinem PC. Nur wenige Tage sind in den ersten Monaten des Jahres nicht belegt. Auf der Homepage des Auma – des Ausstellungs- und Messe-Ausschusses der deutschen Wirtschaft – ist der Bremer Messeplatz im Jahr 2001 aber nur mit gerade mal drei Veranstaltungen vertreten. Und die tragen lediglich den AUMA-Stempel „regional“. Erst 2002 wird Bremen in der AUMA-Liste wieder der begehrte Stempel „Messeplatz Deutschland“ für eine auch überregional bedeutende Messe verliehen. Zum Vergleich: Die Nürnberger Messe, sozusagen auf der Zielgeraden der Bremer Messe, weist im Jahr 2001 sechzehn Ausstellungen von überregionaler Bedeutung aus, darunter die berühmte Spielzeugmesse.
Auch wenn die Kapazität der Nürnberger Messe rund viermal so groß ist – so ganz von der Hand will Messechef Henkhaus den Vergleich nicht weisen: „Die Nürnberger Messe gibt es seit 22 Jahren. Geben Sie uns erst mal die Zeit, um uns zu etablieren.“
Messe Bremen wurde in einen schwierigen Markt geründet
Die Bedingungen aber, unter denen sich neue Messestandorte etablieren, sind seit Beginn der Bremer Geschäfte im Jahr 1995 nicht besser geworden.
„Bremen ist in einen schwierigen Markt reingegründet worden“, so Henkhaus zur zunehmenden Konkurrenz um Messethemen. Hinzu kommen die Lage am Rand der Republik, ein nicht gerade dicht besiedeltes regionales Einzugsgebiet, nicht zuletzt die Messestädte Hamburg und Hannover im Umkreis von kaum mehr als 100 Kilometern – letztere ist seit der EXPO nicht nur messemäßig hervorragend aufgestellt: die Preussag-Arena macht der Stadthalle arge Konkurrenz. Gerade wurde in den Wirtschaftsförderungsausschüssen beschlossen, dass Bremen ins Wettrüsten eintritt, um die Abwanderung großer Veranstaltungen zu verhindern. Dabei machen diese, wie zum Beispiel die deutsche Grand-Prix-Ausscheidung gar nicht mal einen so großen Teil des Umsatzes aus. „Aber“, so Stadthallenchef Claus Kleyboldt, „das ist eine Imagefrage. Wenn wir die großen Veranstaltungen hier nicht halten, dann rutschen wir auch bei den kleineren in die dritte Liga.“
Beim Messegeschäft ist das nicht anders. „Wir wollen hier keine Leitmessen entwickeln“, sagt Rolf Henkhaus, andere Messestandorte leben aber genau von diesem Prinzip. Eine Leitmesse – in Hannover die Cebit – hat viele andere im Schlepptau. Als „Publikums-Staubsauger“ gilt Hannover in Fachkreisen. Dagegen ist Bremen nur ein Handfeger.
Bremen muss selber Messen veranstalten
Als Geschäftsführer Henkhaus Anfang 1997 den Job übernommen hat, gab es keinen „Messeplatz Bremen“. Die „Dach und Wand“, für die die Hallen gebaut wurden, ist eine Wanderausstellung. Eine Leitmesse gab und gibt es nicht, und auch die kleineren Messen kriegen überall – nicht nur in Bremen – den roten Teppich ausgerollt. Henkhaus: „Als ich Anfang 1997 hier angefangen habe, war die Parole noch, wir sollten nicht selbst als Veranstalter auftreten, sondern nur vermieten. Aber Quadratmeter Messeplatz kriegen sie überall.“ Nun wird also doch selbst veranstaltet. An der Gesellschaft, die in jedem zweiten Jahr die Fischmesse veranstaltet und im Januar mit der „freshtival“ eine neue Fachmesse aus der Taufe gehoben hat, hält die Messe GmbH 49 Prozent der Anteile – und trägt damit die Hälfte des Risikos. Die freshtival sei, so Henkhaus und Koch-Bodes, der die anderen 51 Prozent hält, unisono „ein voller Erfolg“ gewesen. Das bedeutet im Messegeschäft aber keine schwarzen Zahlen. „Eine Messe macht – wenn sie gut läuft – vielleicht beim vierten oder fünften Mal plus“, klärt Henkhaus auf. Die Actuator-Messe ist ein anderes Beispiel für eine Eigenveranstaltung. Sie wurde dem Bremer Elektronikkonzern Axon vor Jahren „für eine fünfstellige Summe“ (Henkhaus) abgekauft. Und die ,Mittelstand online' soll mit Unterstützung unter anderem der Handels- und Handwerkskammer im August diesen Jahres erstmals veranstaltet werden.
Was treibt eine Stadt zum Messegeschäft?
Die Messe ist eine staatliche Gründung. Gemeinsam mit dem Kongresszentrum sind an die 350 Millionen Mark in den Bau der Hallen auf der Bürgerweide investiert worden. Weitere Investitionen werden folgen müssen. Um die Stadthalle auf Vordermann zu bringen und gegen die Konkurrenz zu rüsten, wird eine Zahl bei 56 Millionen genannt. Und auch Messehallen müssen ständig auf technisch einwandfreiem Niveau gehalten werden, wollen sie nicht im europaweiten Kampf zu Bauruinen verkommen. Dabei geht natürlich keine Messestadt davon aus, dass sich die Baukosten je aus dem unmittelbaren Ausstellungsgeschäft amortisieren. Daher gibt es zwar jede Menge privater Messeveranstalter, aber so gut wie keine privaten Hallenbetreiber. Eine Messe ist ein Instrument, mit dem die Städte auf nationaler oder internationaler Ebene mitspielen wollen. Die berühmte „Umwegrendite“, also Hotelübernachtungen der Besucher oder ans Messegeschäft gekoppeltes Gewerbe, sind nur Teil der Überlegungen, die eine Stadt zum Messewesen treibt. Letztlich geht es darum, sich bei Investoren ins Gespräch zu bringen, ganze Branchen zu mobilisieren und deren Aufmerksamkeit regelmäßig auf die Stadt zu richten.
Bremen ist davon noch weit entfernt. Die Reichweite der allermeisten Veranstaltungen ist die Region. Von Ferne erinnert das, bei allen Anstrengungen der Messeleitung, an das Bremer Musical. Die Erwartungen an ein überregional und dauerhaft strömendes Publikum haben sich auch hier nicht erfüllt. Stattdessen soll jetzt mit „Hair“ ein nur regionales Spektakel aufgezogen werden, das die Anfangsinvestitionen in den Bau und die jahrelangen Finanzspritzen nicht rechtfertigt. Und wer aus Cloppenburg oder Vechta kommt, geht unter Umständen noch nicht mal ins Hotel – und dann ist Essig mit der Umwegrendite.
Elke Heyduck
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