Am Katzentisch der Berlinale

Das Festival boomt, aber nur für die Superproduktionen. Für die kleinen Filmfirmen, auch aus Berlin, läuft das Geschäft am Markt der Berlinale vorbei. Es bleibt die Hoffnung auf mehr Fördermittel und „local storys für den global market“

Für viele gleicht die Berlinale dem Happy End aus „Casablanca“: Sie ist der Beginn oder die Fortsetzung einer wunderbaren Freundschaft. Das Publikum verliebt sich in Filme und Stars, Regisseure zeigen ihre Arbeiten und schmieden neue Plots, große Verleiher und Studiobosse reiben sich die Hände, Festivalleitung und Gastronomen am Potsdamer Platz sonnen sich in zehntägiger Aufmerksamkeit.

Im Schatten des Glamours läuft jedoch das Geschäft gerade für deutsche und Berliner Filmemacher und Produzenten an der Berlinale vorbei. Während „Enemy At The Gates“ oder „Hannibal“ als 200-Millionen-Mark-Produktionen schon vor dem Festivalstart vermarktet werden, scheint die Berlinale ein harter Boden für kleinere Filmemacher und Produzenten zu sein. Die neu gegründete deutsche Produzentengemeinschaft bezeichnete es zu Beginn des Festivals als „einen Skandal“, dass im offiziellen Wettbewerb kein deutscher Beitrag zu sehen ist und damit die Vermarktungschancen für hiesige Filme stagnieren.

Zwar bedeuten die Berlinale und der Standort Berlin nach Auskunft des Medienberaters Lutz Hachmeister und der Bankgesellschaft Berlin „einen Wirtschaftsfaktor“ für Filmunternehmen in der Stadt. Direkte Auswirkungen und big deals für große Filme im internationalen Geschäft ließen sich aber daraus nicht ableiten. Der Medienstandort Berlin, schrieb jüngst die Financiel Times Deutschland, sei mit 300 Filmen 1999 und heute über 8.000 Mitarbeitern auf dem bundesdeutschen Vormarsch. Aber ohne eine Aufstockung finanzieller Fördermittel – Berlin und Brandenburg geben rund 27 Millionen Mark jährlich dafür aus – könne der Anschluss an das „Niveau“ anderer Länder nicht erreicht werden.

In der Berlinale-Wirklichkeit zeigt sich das besonders bei der an das Festival angedockten Filmmesse „European Film Market“ (EFM). Diese bietet nach Meinung ihrer Leiterin Beki Probst für kleinere Länderbeiträge, Dokumentationen und Kurzspielfilme ein gutes Forum. Auch Verkäufe von rund 1,3 Millionen Mark wie der Film „Italienisch für Anfänger“ hätten Chancen. Im Verhältnis zu den Auftritten und Millioneninvestitionen amerikanischer Hollywood-Multis bleibt der EFM aber eine Marginalie. Ebenso im Schatten des offiziellen Wettbewerbs und des Panoramas bleibt die Reihe Neue deutsche Filme, die mehr von cineastischem als kommerziellem Interesse ist. Die Messe und die deutsche Filmreihe seien der Katzentisch Berliner Filmemacher auf der Berlinale, stöhnt ein junger Produzent, der auf dem EFM auf Kontakte zu Finanziers seiner Dokumentarfilme hofft.

Woher kann ein Schub für die deutsche und Berliner Filmwirtschaft auf der Berlinale kommen? Wann landet endlich einer der 40 Filme, die jährlich in Berlin gedreht werden, wieder ganz oben? Klaus Keil, Intendant der Filmboard Berlin-Brandenburg, wünscht sich mehr Filme mit dem spezifischen städtischen und historischen Ambiente Berlins, das über das Klischee hinausgeht. „Local storys für den global market“ von professionell agierenden Produzenten und Regisseuren, die „ins Kino“ wollen, sei eine Strategie. Die andere ist, dass der Standort mehr finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt bekommt, mehr und opulenter produziert werden kann, um am Markt bestehen zu können.

Regina Ziegler, erfolgreiche Berliner Film- und Fernsehproduzentin, sieht den Medienstandort Berlin auf der Berlinale darum so klamm, weil die Infrastrukturen und Mittel für große Filme „nicht marktgerecht“ ausgerichtet seien. In Konkurrenz zu anderen Markt- und Produktionsbedingungen – international wie national – spiele Berlin in der Zweiten Liga. Auf das Happy End muss die Stadt also noch etwas warten. ROLF LAUTENSCHLÄGER