piwik no script img

In dubio contra Opferschutz?

■ Befangenheitsantrag gegen Gutachter in Vergewaltigungsprozess

Der Prozess habe ihre Freundin verändert, erklärte die Partnerin der Nebenklägerin am letzten Verhandlungstag um die Vergewaltigung im Imbiss Torros. Als Zeugin hatte die Frau über zehn Verhandlungen vor der Tür abwarten müssen. Erst nach ihrer Aussage darf sie der Freundin jetzt im Gerichtssaal beistehen. Die hatte vergangenen Sommer eine Vergewaltigung durch mehrere Männer im Keller des Viertel-Imbiss' angezeigt. Zwei ehemalige Imbissbeschäftigte wurden kurz darauf verhaftet und sitzen jetzt auf der Anklagebank im Landgericht. Die 29-jährige Studentin steht unterdessen im Zentrum vieler Verdächtigungen.

Gleich nach den Verhaftungen hatte der Besitzer des Imbiss Gerüchte genährt, wonach eine verärgerte Prostituierte Anzeige erstattet habe. Und männliche Betreiber umliegender Geschäfte fragten, was eine junge Frau früh morgens allein im Imbiss zu tun gehabt habe? Dann wiesen anonyme Plakate , von denen die Nebenklägerin sich deutlich distanzierte, auf die Vergewaltigung hin. Der Imbissbesitzer – zur Tatzeit auf Türkeiurlaub –, beklagte derweil umsatzschädigenden „Boykott“. Mit Prozessbeginn ist die Glaubwürdigkeit der jungen Frau erneut ins Zentrum der gerichtlichen Wahrheitsfindung gerückt.

Schwerpunkte sind eine Vergewaltigungsanzeige der Frau gegen einen Bremerhavener Taxifahrer vor neun Jahren. Das Verfahren wurde eingestellt. Auch fragt die Verteidigung immer wieder nach Suchtproblemen der Studentin – während die Angeklagten, die kurz nach der Anzeige in Untersuchungshaft kamen, zu den Vorwürfen im Gerichtssaal schweigen. Einer von ihnen ist mit DNA-Spurenmaterial belastet.

Zuletzt sorgte ein medizinischer Gutachter in der – auf Wunsch der Nebenklage – öffentlichen Verhandlung für einen Eklat. Die Studentin sei auf Grund einer seltenen Nebennierenerkrankung so gut wie schuldunfähig. Zuvor hatte er ausgeführt, die Frau müsse ja wohl mit einem Verfahren gegen sich selbst rechnen. Der Mann hat die Betroffene persönlich noch nicht untersucht. Über einen Befangenheitsantrag von Staatsanwältin und Nebenklagevertreterin gegen den Mediziner entscheidet das Gericht morgen. ede

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen