kabolzschüsse
: Auf der Suche nach Berlins randigster Sportart

Pesäpallo

Würden US-Sportfunktionäre versuchen, Baseball Gewinn bringend in Finnland anzusiedeln, sie würden kläglich scheitern. Denn Finnen können das allein und entgegnen: „Pesäpallo on suomalainen pallopeli, jonka professori Lauri Pihkala kehitti 1920 luvulla USA: n vierailunsa innoittamana.“ Was frei übersetzt heißt, dass Baseball eine beliebte finnische Feldsportart ist, die Professor Lauri Pihkala 1922 nach einem USA-Urlaub eingeführt hat.

Doch wie die finnische Band Elekaleiset nicht einfach Punkrock importiert, sondern ihn in ein Polkagewand hüllt, so neigte auch der eigenwillige Pihkala dazu, den US-arroganten Baseball auf den Kopf zu stellen. Für ihn entwickelte sich der Spielverlauf zu träge und die frontale Wurfposition des Pitchers machte Treffer komplizierter. Also erlaubte Pihkala vertikale Anwürfe und verkürzte die Distanz zur ersten Base, dem Pesä.

Im Gegensatz zum sich halbkreisförmig öffnenden Baseballfeld ist das Feld hier rechteckig. Romantisierende Ansätze deuten das amerikanische Baseballfeld als weite Prärie, die sich symbolisch in einem Schlag über den Zaun, im Homerun offenbart. Da in Finnland ein solcher schnell in einem Fjord landet, führen Homeruns nicht zu Beifallsstürmen. Im Gegenteil, sie lösen wütendes Schlägerschleudern und hängende Helmköpfe aus. Denn ein Homerun ist hier ein Fehlschlag.

Ebenso symbolisiert das Baseballduell zwischen Läufer und Schläger angeblich die wettbewerbliche Grundspannung der amerikanischen Gesellschaft. Das wollte Pihkala nicht. Während der Schlagmann sich homerunbolzend zum Star schmettern kann, dominieren beim Pesäpallo deshalb taktische Schläge, die ausschließlich auf die Unterstützung der Mitspieler ausgerichtet sind. Ansonsten läuft alles wie beim Baseball. Nur die Homeruns als Höhepunkte fehlen. Langweilig findet der Berliner Pesäpalloaner Andreas Herzog sein Spiel deshalb aber noch lange nicht: „Pesäpallo ist nie langweilig, nie eine Fernsehsportart, die in der ersten Linie den Bierkonsum der Zuschauer fördert.“

Der Finne Pihkala war bedeutend genug, dass der Wilmersdorfer Pesäpallo-Verein sich Tahko Berlin nannte, nach dem Spitznamen des Erfinders. Der damalige Berliner Sportstudent Thomas Scharnberg hatte 1992 beim Pesäpallo-World-Cup in Helsinki gekiebitzt und mit Freunden noch im gleichen Jahr den ersten deutschen Verein gegründet. Bis dato schwang er bereits seit 1989 die Keule mit finnischen und deutschen Jugendlichen im Volkspark Rehberge.

Mittlerweile ist Tahko Berlin förderungswürdiges Mitglied im Landessportbund und patenschaftlich unter die Fittiche genommen vom finnischen Top-Klub Hyvinkään Tahko. Auch die Deutsche Pesäpallo Liga existiert bereits im siebten Jahr, mit Berlin als mehrfachem Vizemeister. Der zweite Spieltag der bevorstehenden Saison ist am 5. und 6. Mai auf dem Sandplatz der Sportanlage am Stadion Wilmersdorf zu sehen. Bis dahin bereiten sich dort die Tahkos freitags vor – und treffen sich auch schon mal zu einem Ausflug in die Finnische Sauna. GERD DEMBOWSKI

Auf der Außenseiterskala von null bis zwölf: 11,5 Punkte