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Globalisierung mit Tücken

Der reichste Fußballklub der Welt, Manchester United, tut sich trotz Kooperation mit dem Baseballklub New York Yankees schwer, seine weltweiten Vermarktungspläne umzusetzen

aus London RONALD RENG

Fürs Detail fühlt sich Bobby Charlton schon lange nicht mehr zuständig. 1966 verhalf er mit seinem zentimetergenauen Timing bei Torschuss und Passspiel England zur Weltmeisterschaft, auf solche Präzision kommt es heute als Ehrendirektor des englischen Fußball-Meisters Manchester United nicht mehr an. Repräsentieren ist seine Aufgabe, da reicht es meist, ein paar griffige Zitate auszuspucken.

Die Pressekonferenz Anfang dieses Monats in New York war reine Routine für ihn. United und das Baseballteam New York Yankees, zwei der weltweit bekanntesten Sportklubs, stellten eine „strategische Allianz“ vor, und als dann jemand wissen wollte, was so eine strategische Allianz eigentlich sei und United bringe, sagte Sir Bobby halt: „Wir machen das nicht, um Geld zu scheffeln. Aber natürlich werden wir damit Geld scheffeln, denn darin sind wir gut.“

Die Botschaft kam an. Dankbar klammerten sich selbst die seriösen Medien an Charltons saloppen Leitfaden. „Bahnbrechend“, erklärte die Frankfurter Allgemeine, sei der „Mega-Deal“ (Welt), der „womöglich Milliarden bringt“ (Daily Telegraph). Es sind die bekannten Reflexe: Sobald die United AG, mit einem Jahresvolumen von 356,1 Millionen Mark der umsatzstärkste Fußballklub der Welt, eine neue Marketingidee vorstellt, sehen alle nur noch Dollarzeichen.

Die Wirklichkeit jedoch ist ein wenig komplizierter als Bobby Charltons Sprechblasen. Obwohl United geschätzte 30 Millionen Fans hat, tut sich der Klub schwer, aus seiner erdumfassenden Popularität tatsächlich Kapital zu schlagen. Als erster Fußballklub versucht der Champions-League-Gewinner von 1999, der heute beim Match gegen den FC Valencia den obligatorischen Einzug ins diesjährige Viertelfinale möglichst schon perfekt machen will, im großen Stil international zu operieren. Bislang hat der Versuch jedoch vor allem Zweifel gebracht, ob Fußballklubs als Wirtschaftsunternehmen wirklich Global Players sein können.

Gerade mal 6,7 Millionen Mark, nicht einmal zwei Prozent des Umsatzes, erwirtschaftet United fern der Heimat. Der Fanshop in Singapur, vergangenes Jahr als erster in einer geplanten Reihe von „emotionalen Hauptquartieren in Übersee“ (Uniteds Vorstandsvorsitzender Peter Kenyon) eröffnet, ist „in Schwierigkeiten“, meldet Oliver Houston, Sprecher des Kleinanleger-Schutzverbandes Shareholders United. Im Fanshop in Dublin ist der dritte Stock derzeit leer, nachdem das Red Café mangels Erfolg nach drei Monaten wieder schließen musste. Die Ausgabe der Hochglanzzeitschrift United-Magazin auf Thai wurde eingestellt, auf Norwegisch und Englisch verkauft sich die Vereinszeitschrift außerhalb Großbritanniens mickrige 14.000-mal im Monat. MUTV, der vereinseigene Fernsehsender, ist wegen technischer und rechtlicher Schwierigkeiten im Ausland noch immer nicht zu empfangen und bringt jährlich 3,1 Millionen Mark Verlust.

In der Theorie klang es plausibel, als Kenyon vor zwei Jahren erklärte: „Fußball ist d e r globale Sport, Asien ist ein wichtiger Markt, eine fußballverrückte Region und markenversessen. Sie wollen die Guccis, die Manchester Uniteds.“ Die Praxis jedoch zeigt, dass Fans, die mehrere tausend Kilometer vom Old Trafford Stadion entfernt leben, zwar United im Fernsehen schauen, aber deswegen noch lange nicht in Massen offizielle Fanartikel kaufen wollen; zumal sie gerade in Asien die United-Trikots auch als billige Raubkopien bekommen. Vor zwei Jahren versprach Kenyon noch euphorisch Fanshops „in Peking, Schanghai, Hongkong – mindestens“. Passiert ist nichts.

So wird das auch mit dem Yankees-Vertrag sein, dem bahnbrechenden, dem Mega-Deal. Man wolle beim Verkauf von Fernsehrechten und beim Merchandising kooperieren, fügte Kenyon dem Geplauder Charltons hinzu. Dabei haben weder die Yankees noch United die Möglichkeit, ihre TV-Rechte zu veräußern; dies wird kollektiv von ihren Ligen erledigt. Und auch United-Trikots und -Bettwäsche dürften nur schwerlich in die Yankees-Fanshops gelangen. Denn die Yankees haben ihre Marketingrechte zu über 90 Prozent an Lizenznehmer abgetreten. Diese Subunternehmer werden kaum United-Artikel verkaufen, an denen sie nichts verdienen. Zudem hat United selbst gerade ab Sommer 2002 für 71,5 Millionen Mark pro anno sein Merchandising 13 Jahre lang dem Sportartikelhersteller Nike überlassen. Eine Firma, die wenig Interesse hat, ihre Ware in den Shops der Yankees feilzubieten. Das Baseballteam wird von adidas gesponsert.

Seinen wirklichen Zweck hat das Yankees-United-Abkommen vermutlich schon mit Bekanntgabe erfüllt: Kurzzeitig die Fantasie der Londoner Börse und somit den derzeit lahmen United-Kurs zu beflügeln. Als die Nachricht von der Partnerschaft vorab bekannt wurde, stieg Uniteds Aktie prompt um sieben Prozent. Als Bobby Charlton in seiner unnachahmlichen Art die Strategie der Allianz erläutert hatte, sank das Papier allerdings sofort wieder um drei Punkte.

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