: Keine Prämie für Ex-Nazis
Schily konkretisiert Aussteigerprogramm für Rechte. Wer beim „Info-Telefon“ anruft, soll Hilfe bekommen. Geld gibt es aber nur „in begrenztem Umfang“
BERLIN taz ■ Einen Blankoscheck für aussteigewillige Neonazis wird es nicht geben. Nach heftiger Kritik an seinem geplanten Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten stellte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) gestern klar, finanzielle Hilfen seien nur „in begrenztem Umfang“ vorgesehen. Der Spiegel hatte am Montag berichtet, das Bundesamt für Verfassungsschutz rechne mit „Kosten bis zu 100.000 Mark pro Fall“ und plane großzügige „Finanzhilfen“. Schily selbst wurde zitiert: „Wenn jemand aussteigen will, muss es dem Staat jede Mühe wert sein.“
Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) hatte sogleich gewarnt: „Wenn man das Aussteigen subventioniert, dann fördert man natürlich das Einsteigen.“ Auch Mitarbeiter der privaten Aussteigerinitiative „Exit“ sagten gestern, „es wäre fatal“, wenn es „Prämien“ gäbe. „Dies könnte nahe legen“, so eine „Exit“-Sprecherin zur taz, „dass es attraktiv ist, Neonazi zu sein.“
Diesen Eindruck möchte Schily natürlich nicht erwecken. Nach einem Treffen mit seinen Innenministerkollegen aus den SPD-regierten Ländern in Mainz präzisierte Schily gestern, was er vorhat: Im März werde ein bundesweites „Info-Telefon“ eingerichtet, bei dem sich aussteigewillige Neonazis melden können. Außerdem sollen „Führungsfiguren der rechten Szene“ und deren Gefolgsleute direkt angesprochen werden. Das Angebot des Ministers: persönliche Beratung, Hilfe bei der Wohnungs- und bei der Arbeitssuche sowie, wenn es denn nötig ist, auch Geld, aber eben nur „in begrenztem Umfang“.
An eine generelle „Kronzeugenregelung“ ist offenbar nicht gedacht. Das geplante Angebot soll sich vor allem an rechte Täter richten, die bereits in Haft sitzen. Ihnen soll bei einem Ausstieg aus der Szene ein Leben nach dem Gefängnis ermöglicht werden. Ausdrücklich widersprach Schily dem Eindruck, Neonazis könnten die Initiative ausnutzen, um rechtsextremistischen Parteien Gelder zuzuschustern. Das sei eine „törichte Einschätzung“. Eine Missbrauchsgefahr bestehe nicht. „Für so dumm sollten Sie den Verfassungsschutz nicht halten“, sagte Schily einem Fragesteller.
Der rheinland-pfälzische Innenminister Walter Zuber (SPD) bezeichnete Schilys Pläne als „nützlich“. Auch Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und der saarländische Regierungschef Peter Müller (CDU) signalisierten Unterstützung für das Aussteigerprogramm. Müller sagte, er begrüße „jede Möglichkeit, Menschen aus der rechten Szene herauszuholen“.
Während sich Schily und seine SPD-Kollegen nun eine „Schwächung und Verunsicherung der rechten Szene“ erhoffen, bleiben die Landesbehörden im CDU/FDP-regierten Baden-Württemberg skeptisch. „Es ist zu bezweifeln, ob die Pläne aus Berlin wirklich weiterhelfen“, sagte Landeskriminaldirektor Dieter Schneider der taz. „Wir glauben, dass wir das Problem rundherum abdecken können.“ Schon im Herbst habe man ein eigenes Aussteigerprogramm gestartet, das erfolgreich angelaufen sei.
Schneider schätzt die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten in Baden-Württemberg auf „etwa 650“. 324 von ihnen seien bisher angesprochen worden, „viele waren durchaus gesprächsbereit“. 84 hätten bereits Bereitschaft geäußert, sich aus ihrem Umfeld zu lösen. Hilfe aus Berlin wünscht sich Baden-Württemberg nur „in Einzelfällen“. „Es muss vor Ort gehandelt werden“, betonte eine Sprecherin von Innenminister Thomas Schäuble (CDU).
Die Mitarbeiter der Initiative „Exit“ tun dies seit langem: „Wir vermitteln Kontakte und Gesprächspartner.“ Hausbesuche von Beamten halten sie für fragwürdig: „Dies entspricht nicht unserem Demokratieverständnis.“ Auch eine „Rundumbetreuung“ für aussteigewillige Neonazis lehnt „Exit“ ab: „Man darf den Leuten nicht jede Verantwortung abnehmen.“ LUKAS WALLRAFF
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