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Liebe für alle Zeiten einfrieren

■ Ingeborg Bachmanns Hörspiel Der gute Gott von Manhattan auf Kampnagel

Viele Filme handeln davon, die meisten Songs suchen danach und jeder wünscht es letztlich für sich: die große Liebe. Wer kennt nicht das Gefühl, in Liebeskummer ertrinkend Radio zu hören und festzustellen, dass auch die seichteste Schnulze um verlorene Geliebte im Grunde vollkommen wahr ist.

Es gibt einige Werke der Kunst, denen es gelingt, fast den Grund dieses menschlichen Gefühlspools zu erreichen. Dazu zählt unter anderem Ingeborg Bachmanns Hörspiel Der gute Gott von Manhattan Ein simpler one-night-stand zwischen Jennifer und Jan entwickelt sich zur absoluten, für beide unkontrollierbaren Liebe. Ein Beobachter, „der gute Gott von Manhattan“, sieht die Ausweglosigkeit dieser Liebe in den Begrenzungen der gesellschaftlichen Norm und will diese Liebe auf ihrem Höhepunkt am liebsten einfrieren, indem er versucht, das Paar mit einer Paketbombe zu töten.

Damit zeigt Ingeborg Bachmann nicht einfach nur ein Pärchenspiel, sondern behandelt en passant die Größe dieses Sujets und ihre Begrenzung durch die gesellschaftliche Ordnung. Der gute Gott von Manhattan rollt wie ein alles mitreißendes Liebeslied von enormer Größe durch das Leben. Dafür erhielt Bachmann im Jahr 1959 den Hörspielpreis der Kriegsblinden und erklärte bei der Preisverleihung: „Wenn in meinem Hörspiel alle Fragen auf die nach Liebe zwischen Mann und Frau und was sie ist, wie sie verläuft und wenig, wie viel sie sein kann, hinauslaufen, so könnte man sagen: Aber das ist ein Grenzfall. Aber das geht zu weit....Nun steckt aber in jedem Fall, auch im alltäglichsten von Liebe, der Grenzfall, den wir, bei näherem Zusehen, erblicken können. Denn bei allem, was wir tun, denken und fühlen, möchten wir manchmal bis zum Äußersten gehen.“

Bachmann wusste, wovon sie sprach. Fast alle Schriftsteller ihrer Zeit waren in sie verliebt, Uwe Johnson wollte mit ihr zusammen sein, Max Frisch schrieb ihren Namen in den Schnee, und Enzensberger versuchte wenigstens, so viel wie möglich mit ihr zu arbeiten, um ihr nahe zu sein. Ingeborg Bachmann liebte jedoch nur einen Menschen über alles, den Komponisten Hans Werner Henze, der jedoch seine Liebe ausschließlich an Männer vergab.

Der gute Gott von Manhattan korrespondiert in Tiefe und Tragik genauso wie in der Storyline mit Simenons Drei Zimmer in Manhatten (1939) und mit Jean Cocteaus Film Orphee (1950). Am heutigen Donnerstag wird Patrick Becker das Bachmann-Hörspiel szenisch in die Hallen von Kampnagel übertragen. Nikola Duric

Premiere 22.2., weitere Vorstellungen 23. + 24.2., jeweils 19.30 Uhr, Kampnagel.

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