piwik no script img

Nahverkehr verliert an Ökobonus

Weil es zu wenig Fahrgäste gibt, ist der Umweltvorsprung des öffentlichen Nahverkehrs in Gefahr. Trittin fordert höhere Umweltstandards und hofft auf Wettbewerb. Dieser wird ökologisch nur schaden, fürchten Verkehrsunternehmer

von RALF GEISSLER

Das Auto holt auf. Am umweltfreundlichsten fährt man zwar nach wie vor mit Bus und Bahn. „Aber die ökologische Schere zwischen Autos und dem öffentlichen Nahverkehr wird geringer“, sagte Ulrich Höpfner gestern in Berlin. Der Experte vom Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) hat im Auftrag des Verkehrsclubs Deutschland einen Umweltvergleich von Bussen, Bahnen und Pkws erarbeitet. Schuld am sinkenden Öko-Bonus des öffentlichen Nahverkehrs seien neben seiner geringen Auslastung vor allem technische Innovationen der Autoindustrie. „Neue Fahrzeuge mit Partikelfiltern können ökologisch sogar das Niveau öffentlicher Verkehrsmittel erreichen“, sagte Höpfner.

Bus und Bahn müssen wieder aufholen, fordert Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) – zumal Umweltvorteile der Grund für die jährliche Förderung von 15 Milliarden Mark durch die Bundesregierung seien. Er hält eine bessere Auslastung des Nahverkehrs für nötig und möglich. Und die Voraussetzungen dafür seien schon geschaffen. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes müssen Kommunen künftig europaweit ausschreiben, wenn sie einen neuen Nahverkehrsanbieter suchen. „Mit Wettbewerb kann für Qualität und Umweltstandards gesorgt werden“, sagte Trittin.

Dass die Liberalisierung die Umweltvorteile stärkt, glaubt beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen aber niemand. „Beim Wettbewerb entscheidet der Preis. Das geht mit Sicherheit zu Lasten der Umweltorientierung“, sagt Verbandssprecher Friedhelm Bihn. Trittin findet das Schreckgemälde stinkender Billigbusse, die nach der Liberalisierung Deutschland überrollen, aber falsch. Sein Ministerium arbeite an Umweltsstandards, an denen künftig die Ausschreibungen der Kommunen geknüpft werden sollen. Außerdem zeigten Erfahrungen bei Regionalbahnen, dass Wettbewerb der Umwelt nutzen kann. „Dort wurden mehr Menschen auf die Schiene gebracht und mit der besseren Auslastung der Züge etwas für die Umwelt getan“, sagte Trittin gestern in Berlin.

„Das lässt sich gar nicht vergleichen“, erwidert Bihn. Und ob die Verknüpfung der Ausschreibung an Umweltmindeststandards die Gefahr von Billigbussen verhindert, sei fraglich. Etwas mehr Wettbewerb stünde den Nahverkehrsunternehmen aber auch nach Ansicht des Autofahrervereins ADAC gut zu Gesicht: Im europäischen Vergleich erhielten die Deutschen in einer gestern vorgestellten Studie in Sachen Service schlechte Noten. Berlin, München, Essen und Frankfurt bekamen von den Testern nur eine 4. Ein „gut“ erhielten Hamburg, Leipzig und Nürnberg. „Die Information über Tarife und Leistungen lässt europaweit zu wünschen übrig“, kritisierte Peter Meyer, Vizepräsident des ADAC. „Touristen haben keine Chance zu verstehen, wie sie mit welchem Verkehrsmittel und zu welchem Preis ihr Ziel erreichen können.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen