: Garniert und zugeschmiert
Anmerkungen zum belegten Brötchen und seinen neuzeitlichen Ausmaßen
Neben der gebratenen Wurst und dem schokoladenen Riegel, gehört das belegte Brötchen zu den Klassikern des schnellen Imbisses. Wahlweise mit Schwein, Rind, Fisch, Käse oder Ei bestückt, erhält man es vorzugsweise da, wo große Eile herrscht und der kleine Hunger partout nicht warten will, also praktisch überall.
So groß das Angebot ist, so groß muss mittlerweile auch die Öffnung sein, durch die man sich sein belegtes Brötchen einverleibt. Gewöhnlich geschieht das durch den Mund. Wer da aber nicht mindestens wie Wolfgang Joop ausgestattet ist oder wenigstens über Reißverschlüsse in den Mundwinkeln verfügt, kann Schwierigkeiten bekommen. Leicht nämlich erreichen belegte Brötchen heutzutage die Ausmaße von Brotlaiben, die kaum zu handhaben, geschweige denn zu essen sind. Wer’s trotzdem versucht, muss schon beim ersten Biss damit rechnen, dass die mitunter lastkähnegroßen Brötchenhälften unkontrolliert auseinanderdriften und einem der ölige Belag, statt in Mund und Magen, auf Hand und Hose landet.
Ein Brötchen wird heute nicht mehr einfach dadurch zu einem belegten Brötchen, indem man seine Hälften dünn mit Butter bestreicht und mit je einer Scheibe Käse oder Wurst versieht. Zweifingerdick Margarine gilt mittlerweile als Pflichtaufstrich in unseren Brötchenschmierereien. Bloß einscheibiger Belag scheint indes völlig verpönt. Dreikäsehoch und ebenso kochschinkendick werden da die säuglingsgroßen Brötchenhälften eher bestapelt denn belegt, meist auch mit beidem zugleich. Käse-Schinken nennen sie das dann oder, je nach Beilagen-Mixtur, auch Garnele-Mett oder Salami-Thunfisch-Lachsersatz. Und am Ende krönen sie alles mit Zwiebel, Petersilie oder einem Ei, das grün und blau gekocht und in schwerst auszubalancierenden Scheiben obenauf hockt.
Zusätzlich verleidet werden einem solche Maulsperren durch ihre überbordende dekorative Ausgestaltung. Als gebe es dafür eine gesetzliche Vorschrift, wird kaum noch ein belegtes Brötchen serviert ohne die Beigabe von Tomatenfetzen, Gurkenbrocken und sonstwie Nassem, Salatenen, das sich dann feucht zwischen den Aufschnittlappen lümmelt. Die Folge sind schwitzige Käse- oder Mortadellascheiben, die sich runzeln wie zu lang gebadete Haut. Ein Bissen da hinein gleicht oft eher dem in eine tote, kalte Maus. Auch das nicht minder obligatorische, mit einem Klacks fieser Tubenremoulade angepappte Salatblatt trägt labberig, schal und braungerändert einiges bei zur aktuellen Unerfreulichkeit des belegten Brötchens.
Das allerdings auch unbelegt längst nicht mehr ist, was es mal war. Geschmacklich schwankt es oft nur noch zwischen fadenscheinig und verbrannt, und in puncto Konsistenz sieht es meist auch nur gut für diejenigen aus, die es aufgeblasen, mürbe oder flau mögen statt knusper, knack und krach. Überhaupt tendiert das gemeine Brötchen konsistenziell immer mehr in Richtung Sandwich, was aber ein Kapitel für sich ist beziehungsweise in seiner belegten Form erst recht eins für die Geschmackspolizei. Oder sogar für die Sitte, wie es ja neulich in der französischen Gemeinde Croissant der Fall war. Da hatten besorgte Eltern Anzeige gegen den Inhaber eines Bahnhofkiosks erstattet. Ihrer Ansicht nach ähnelten die Schnittflächen der von ihm offen dargebotenen dreieckigen Sandwiches, zumindest in der Version gekochter Schinken, zu sehr den Schamlippen einer Frau. Die Eltern wähnten dadurch das sittliche Empfinden ihrer minderjährigen Kinder gefährdet. Die örtliche Gendamerie schloss sich dieser Einschätzung an und ließ die beanstandeten Sandwiches vollzählig aus dem Schautresen entfernen. FRITZ TIETZ
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