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Maxwell verlegen, als Hanfbauer leben

Welche Bücher ich gerne verlegen würde (2): Rainer Moritz, Hoffmann & Campe Verlag

Verlegerträume sind nicht immer edler Natur. Manchmal, in schwachen Momenten, blickt man auf die Bestsellerlisten und denkt sich dies und jenes. So wie gelegentlich der Wunsch aufkommt, nie mehr mit lebenden Autoren, störrischen Buchhändlern oder abgebrühten Agenten zu tun haben zu wollen, und wie man sich stattdessen ein sinnerfülltes Leben als Hanfbauer oder Ökotischler in der Lüneburger Heide ausmalt. Oder vielleicht sollte man überhaupt etwas ganz anderes tun, nichts mit Büchern und so . . .

Doch weil der Mensch als unflexibles Mängelwesen meist zu schwach ist, seine Existenz umzukehren, will ich weiter famose Romane und ergreifende Sachbücher verlegen, von denen manche leider – wie ich erschüttert feststelle – in den falschen Verlagen erscheinen. Da müht man sich selbst redlich, da agieren die Presse- und die Marketingabteilung hoch engagiert . . . und trotzdem geht das „Literarische Quartett“ achtlos an einem vorüber. Dann, wie gesagt, sinniere ich kurz darüber, wie schön und leicht das Leben wäre mit Harry Potter, Donna Leon oder Dietrich Schwanitz im Programm.

Solche Augenblicke freilich sind Augenblicke der Schwäche. Denn Büchermenschen sind im tiefsten Inneren natürlich Kultur- oder wenigstens Contentträger, und deshalb gilt ihre eigentliche Sehnsucht Autoren, deren Werke sie einfach lieben, denen sie ohne Neid und Argwohn allen Erfolg der Welt wünschen. Mir geht es so mit William Maxwell, dem 1999 hochbetagt verstorbenen amerikanischen Erzähler. Jahrzehntelang betreute er den New Yorker und half vielen bekannteren Kollegen auf die Sprünge. Ihn würde ich liebend gerne verlegen und darauf hoffen, dass die Leser ihn entdecken, endlich entdecken als feinsinnigen Beobachter familiärer Abgründe, als Psychologen, der Erfahrungen von Nähe und Verlust wie kaum ein Zweiter widerspiegeln konnte.

Nur vier seiner Bücher sind bislang bei uns verlegt: „Zeit der Nähe“, „Mit der Zeit wird es dunkler“, „Also dann bis morgen“ und „Sie kamen wie die Schwalben“, das in diesen Tagen, wieder im Zsolnay Verlag, erscheint – vierundsechzig Jahre nach der Originalausgabe. Unverkennbar autobiografisch grundiert, erzählt es davon, wie der kleine Bunny Morrison seine Mutter verliert. Sie stirbt, kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs, an der Spanischen Grippe. Bunny, sein Bruder und sein Vater verzweifeln in aller Stille, machen sich Vorwürfe, und am Ende des Buches lässt sich nur erahnen, ob die Kinder jemals wieder einen Rückhalt finden werden. Das alles, mag man einwenden, ergibt keinen spektakulären Plot. Gewiss, doch es ist viel mehr: Es ist grandiose Literatur, knapp, lakonisch und getragen von einer unvergleichlichen Begabung, sich in die menschliche Psyche zu versetzen und dafür eine adäquate Sprache zu finden.

Ja, William Maxwell zu verlegen, darauf darf man stolz sein. Von der Kritik hierzulande wurden seine Bücher hoch gelobt, die Herzen der Buchhändler hat er jedoch noch nicht restlos erobert. Was Sándor Márai mit seinen merklich konventionelleren Romanen gelang, wünsche ich William Maxwell, und wenn sich „Sie kamen wie die Schwalben“ in den nächsten Monaten zum Flüstertipp unter den Lesern entwickelt, werde ich mich freuen, ohne Wenn und Aber, ohne Abwerbegelüste. Noch heute mache ich mich umgehend auf die Suche nach verschollenen Autoren, die allen umtriebigen Verlegeraugen entgangen sind. Und erst morgen denke ich wieder darüber nach, wie wir Charlotte Link und Nathalie Weidenfeld Paroli bieten können. RAINER MORITZ

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