: Die Frau mit der Kamera
Eine verschnupfte Greta Garbo: Bevor sie Verlegerin wurde, fotografierte Inge Feltrinelli vornehmlich Prominente. Die Galerie Picture Show zeigt ihre Porträtaufnahmen aus den 50er- und 60er-Jahren
von BRIGITTE WERNEBURG
Fast wäre Inge Schoenthal geworden, was ihr Sohn Carlo Jahrzehnte später auf den Titel ihres Ausstellungskatalogs druckte: Inge Fotoreporter. Doch stattdessen wurde sie Inge Feltrinelli. Sie heiratete den bekanntesten Verleger Italiens. Es waren eben die Fünfzigerjahre.
Wenig umgänglich und rau im Ton übertrug Giangiacomo Feltrinelli seiner Frau die Kommunikationsaufgaben im Verlag. 1972 kam der Verleger, der zur radikalen Linken zählte, unter ungeklärten Umständen bei einem Anschlag auf einen Hochspannungsmast einer Überlandleitung in der Nähe von Mailand ums Leben. Spätestens da war Inge Feltrinelli Inge Verleger.
Aus der Zeit, in der sie noch Inge Fotoreporter werden wollte, zeigt jetzt Beate Wedekind in ihrer Galerie Picture Show 39 Aufnahmen, darunter Porträts von Fidel Castro, Ernest Hemingway, Greta Garbo, Günter Grass und Erika Mann. Die Bilder stammen vornehmlich aus den Fünfziger- und dem Beginn der Sechzigerjahre. Damals war die 1930 in Essen geborene Inge Schoenthal als Fotoreporterin für die Illustrierten Constanze und Kristall unterwegs. Dass sie eine ebenso unternehmungslustige wie ausgesprochen hübsche junge Dame war, kam ihr bei den entsprechenden Mentoren durchaus zu Gute, die frau besonders damals für ihr berufliches Fortkommen gut brauchen konnte.
Heinrich Maria Ledig-Rowohlt etwa hatte ihr den Kontakt zu Hemingway gebahnt, der zurückgezogen in San Francisco de Paula auf Kuba lebte. Mit ihrer Fotoreportage über den alternden Schriftsteller und Sportfischer gelang ihr der internationale Durchbruch. Nun war es auch keine Schwierigkeit mehr, zu Pablo Picasso, Marc Chagall oder Simone de Beauvoir vorzudringen.
Bei näherem Hinsehen sind die Fotografien technisch keineswegs einwandfrei. Inge Schoenthal hätte noch einige Zeit der Praxis gebraucht, um eine versierte Fotojournalistin zu werden. Geistesgegenwärtig in dem Sinne aber, dass sie den Moment erkannte, in dem sich ihr das entscheidende Bild bot, das war sie wohl von Anfang an. Ein Jahr vor der Hemingway-Reportage, 1952, war ihr an einem trüben Tag in New York das Bild einer verschnupften, an der Ampel wartenden, völlig unerkannten Greta Garbo gelungen. In ähnlicher Weise entstand ihr Schnappschuss von Winston Churchill, als er das Haus des Bankiers Bernard Baruch in der Fifth Avenue verließ und ein Auflauf dunkel gekleideter Herren die junge Frau mit der Kamera aufmerken ließ.
Obwohl Inge Schoenthal nach ihrer Heirat die Kamera nur noch gelegentlich zur Hand nahm, wie etwa anlässlich eines Besuchs mit ihrem Mann bei Fidel Castro auf Kuba, stammen viele Fotos doch aus dem Verlegerhaushalt. So ein alter Günter Grass mit Nadine Gordimer, ein sehr junger Peter Handke mit Alberto Arbasino, oder Nathalie Saraute mit einem ebenfalls sehr jungen Umberto Eco. Natürlich haben diese Fotomomente ihren dokumentarischen Reiz.
Nach Marianne Fürstin zu Sayn-Wittgenstein-Sayn, ist Inge Feltrinelli die zweite Gesellschaftsfotografin, die Picture Show präsentiert. Reichtum, Müßiggang oder eben auch Kultiviertheit liefern von vornherein mondäne Szenen, bei denen die Fotografinnen nur noch zupacken müssen. Wenn die Foto-Fürstin zu Sayn-Wittgenstein-Sayn gefragt wurde, warum sie denn einen Mann fotografiert habe, der sein Auto repariert, dann war ihre Antwort: „Weil der Mann Onassis heißt.“ Dieses Prinzip lieferte nicht nur amüsante, sondern durchaus interessante Bilder. Und vor allem lieferte es – in den beide Male gezeigten Ausschnitten aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren – sehr europäische Bilder, die eher Eleganz statt handfesten Glamours charakterisiert. Die Hintergrundfolie dieser Bilder ist Cinecittà, nicht Hollywood.
Bis zum 22. April, Galerie Picture Show, Oranienburgerstraße 27, Di–Sa 14 bis 20 Uhr, So 12 bis 19 Uhr
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