: Spurengebilde visualisieren
■ Martina Schall zeigt Ungewöhnliches im Pavillon des Gerhard-Marcks-Hauses – zum Beispiel, was eine Maus hinterlässt
Wie oft spielen Bürohengste in der Pause Solitaire am Computer? Ganz einfach: Je abgegrabbelter die Maus, desto spielwütiger die Sekretärin. Auch Martina Schall hat einmal in einem Büro gearbeitet. Allerdings hat sie weniger geklickt, sondern eher die Kollegen beim Klicken beobachtet. Interessant. Faszinierend. Kunst – fand sie.
Die Künstlerin aus dem schwäbischen Tübingen hat kurzerhand einen Filzstift an ihre eigene Computermaus geklebt, die Mousepad-Unterlage durch saugfähiges Papier ersetzt und die sonst so unbeachteten Handbewegungen beim Arbeiten am Bildschirm aufgezeichnet. Entstanden sind eine Reihe von Grafiken, die an neurale Hirngespinste erinnern. In gewisser Weise stimmt das ja auch. Nur die Gehirnmasse, die angestrengt wurde, ist von Programm zu Programm verschieden.
Solitaire-Grafiken und andere Werke zeigt Martina Schall, die in Bremen und Hamburg Kulturwissenschaften und Freie Kunst studiert hat, nun im Pavillon des Gerhard-Marcks-Hauses. Andere Werke – das sind die vier handtellergroßen Plastiken, die, an Metallstreben befestigt, aus der Wand ragen. Sie ähneln auf den flüchtigen Blick halb duchsichtigen, gekrümmten Kathederschläuchen. Aber auch diese Schläuche sind Protokolle von Arbeitsvorgängen am Computer, sozusagen die dreidimensionale Textverarbeitung, aus Epoxidharz geformt.
Schall beschäftigt sich also mit „der markanten Schnittstelle zwischen Mensch und Medium, arbeitet das zunächst nicht offensichtlich erkennbare ästhetische Potenzial des Mediengebrauchs heraus, ohne dabei in einen Cyberrausch zu verfallen.“ So steht es in ihrem Katalog. Die Idee ist interessant – wenn man die Hintergründe kennt. Wenn nicht, dann sind es eben doch einfach neurale Hirngespinste und gekrümmte Würmer. spo
Die Spurengebilde von Martina Schall krümmen sich noch bis zum 6. Mai im Pavillon des Gerhard-Marcks-Hauses.
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