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Stoiber diesmal ohne Kampfanzug

Ungewohnt nachdenkliche Töne beim Aschermittwoch der CSU. Hauptvorwurf an den Kanzler: „Beliebigkeit“

BERLIN taz ■ Er hat es nicht getan. Natürlich nicht. Edmund Stoiber legte sich auch gestern beim „Politischen Aschermittwoch“ der CSU nicht fest, ob er Kanzlerkandidat der Union werden will.

Da konnten die 8.000 CSU-Fans in der Passauer Nibelungenhalle noch so sehr nach einer „Zugabe“ rufen. Da konnten sie noch so oft „Edmund, Edmund“ skandieren und bierselig das alte Fußballlied „Oh, wie ist das schön“ anstimmen. Stoiber blieb cool. „Zuerst brauchen wir die Inhalte, dann die Personen“, beschied er auch die übereifrigen Vertreter der CDU Nordhessen, die ein Schild hochhielten: „Wir grüßen unseren Kanzlerkandidaten“.

Der bayerische Ministerpräsident war gestern erst einmal damit beschäftigt, den Schaden zu reparieren, den er mit seiner chaotischen BSE-Politik im Freistaat angerichtet hatte. „Das geht mir wirklich unter die Haut“, sagte Stoiber, „wenn ich die Verzweiflung und die Tränen der Bauern sehe.“ Ein paar Minuten lang ließ sich Stoiber sogar zu Selbstkritik herab. „Wir haben uns geirrt“, gab er den nachdenklichen Landesvater, „wir sind heute klüger und müssen einräumen, dass auch die Politik Fehler gemacht hat.“ Dann war es aber auch gut und Stoiber ging endlich zum Angriff über, wie es seine Fans erwartet hatten.

Nach Seitenhieben auf die grünen „Lebensabschnitts-Demokraten“ konzentrierte sich Stoiber ganz auf den „Kanzler der Beliebigkeit“. Bei Gerhard Schröder wisse man nicht einmal, ob er „dem christlichen Menschenbild verpflichtet“ sei. Also müsse er „weg“. Stoiber weiß auch schon wie. US-Präsident George Bush habe die Wahl „gewonnen“, weil die Leute nach der Clinton-Ära „Werteorientierung gesucht haben“. In Deutschland stehe nur die CSU für Familienpolitik, „Nächstenliebe, Tugendhaftigkeit und Bescheidenheit“. Stoiber verzichtete denn auch auf den verbalen „Kampfanzug“ vom vergangenen Jahr und versprach nur, „die Ärmel aufzukrempeln“.

Mit Attacken auf die schwache Doppelspitze der CDU hielt sich Stoiber demonstrativ zurück. Merkel und Merz wurden mit keinem Wort erwähnt. Dass er sich für besser hält, deutete er nur zwischen den Zeilen an. Und wer wollte, konnte in seinem Schlusswort doch noch die Bereitschaft zur Kandidatur erkennen: „Was in Bayern möglich ist, muss auch in Deutschland möglich sein!“ LUKAS WALLRAFF

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