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Unreflektierter Aktienkult

betr.: „Sparen mit Plan“, taz vom 19. 2. 01

Gemäß ihrem Motto „Reich und glücklich“ lässt die taz den Geschäftsführer einer Investmentgesellschaft die angeblich so paradiesische Welt der Aktienanlage darlegen. [...] Diese Ausführungen dürfen nicht unwidersprochen bleiben.

1. Die Wahrscheinlichkeit einer positiven Rendite zu bestimmen ist Quacksalberei. Solche Betrachtungen nehmen die Entwicklung der Aktienmärkte in der Vergangenheit (nach Kriegsende) auf und schreiben sie in die Zukunft fort. Die immensen Auswirkungen von Klimaänderungen, globalen Flüchtlingsbewegungen auf Grund ungleicher Ressourcenverteilung, Folgen einer möglichen globalen Wirtschaftskrise, eines Krieges oder einfach nur der Sättigung der Märkte bleiben außen vor.

2. Zweistellige Renditen, wie sie uns schmackhaft gemacht werden, lassen sich über längere Zeit nicht erzielen. Schon eine Rendite von fünf Prozent führt innerhalb von 100 Jahren zu einem um den Faktor 131 erhöhten Kapital, falls der Ertrag jeweils wieder angelegt wird. Um die im Artikel dargestellten 14 Prozent Rendite aufzugreifen: Nach 30 Jahren hätte sich das Kapital mit dem Faktor 50 vermehrt, nach 60 Jahren mit dem Faktor 2.596 und nach 100 Jahren bereits mit dem Faktor 490.326. Wie soll der Wert der Unternehmen – selbst unter Berücksichtigung von Inflation – derart gesteigert werden? Was wären die Folgen?

3. Fahrlässig ist nicht das Anlageverhalten der Bürger, sondern die Haltung der Politik, Zinserträge aus sicheren Anlageformen wie Sparkonten und Anleihen zu besteuern, während die Gewinne aus Aktienverkäufen steuerfrei bleiben, wenn die Papiere länger als ein Jahr im Depot waren.

[...] Dem unreflektierten Aktienkult liegt ein unsystematisches und kurzsichtiges Denken zu Grunde – das gleiche Denken, das zu großen Umweltproblemen, überbordender Staatsverschuldung, dem Scheitern der gesetzlichen Altersversorgung und teilweise dem Nord-Süd-Konflikt geführt hat. Wer zukunftsfähig handeln möchte, muss dagegen das Verhalten von Systemen begreifen lernen. ANDREAS BECKER, Studienbüro Jetzt & Morgen, Freiburg

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