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Japan findet keinen neuen Anfang

Der glücklose Premier Mori dürfte im Amt bleiben: Kein LDP-Politiker ist so blöd, sein Nachfolger werden zu wollen

TOKIO taz ■ Wanted: Ein Premier für Japan! Wenn möglich mit wirtschaftspolitischem Gespür, einem Sinn für richtiges Benehmen in der Öffentlichkeit, ohne lockere Zunge und ohne Leichen im Keller, die zu einem neuen Skandal führen. Etwa so beschreibt der politische Analytiker Yoshimi Ishikawa das Profil des nächsten Premiers für den krisengeplagten Inselstaat. Und Ishikawa fügt sofort bei, dass er weit und breit keinen solchen Politiker sehe.

Das ist die Ausgangslage für das Misstrauensvotum, das die Opposition am Montag im japanischen Unterhaus gegen Mori einreichen will und von dem sie schon jetzt weiß, dass es scheitert. Japans Opposition bezeugt damit, dass sie genauso wenig zu leisten vermag wie die derzeitige Regierung.

Das Problem besteht darin, dass selbst in der regierenden Liberalemokratischen Partei (LDP), die seit zwei Monaten sprichwörtlich von einem Skandal in den nächsten stolpert und die Fehltritte von Premier Yoshiro Mori verdauen muss, kein Kandidat freiwillig sein Erbe antreten will. Wer will schon den Kopf hinhalten, wenn 93 Prozent der Bevölkerung die Regierung und die Partei nicht mehr unterstützen.

„Wer jetzt antritt, setzt seine politische Zukunft mit fast hundertprozentiger Sicherheit aufs Spiel“, erklärt Ishikawa, und deshalb wird in den Hinterzimmern der Regierungspartei derzeit fieberhaft nach einem älteren Herrn gesucht, der den „Schwarzer Peter“ ziehen muss.

Das Erbe Moris ist in der Tat kein Leckerbissen. Die Wirtschaft – und das ist und bleibt für die Japaner das politische Thema Nummer eins – ist auf dem besten Weg in einen neue und noch schmerzhaftere Krise als vor zwei Jahren. Innenpolitisch kämpft die Liberaldemokratische Partei mit einem der schlimmsten Bestechungsaffären in den eigenen Reihen seit dem Recruit-Skandal 1989. Damals musste Premier Noboru Takeshita den Hut nehmen, als seine Popularität unter neun Prozent gesunken war. Darauf folgte eine vernichtende Wahlniederlage, die der LDP erstmals in der Nachkriegsgeschichte die Mehrheit im Oberhaus kostete.

Etwa so viel steht auch diesmal auf dem Spiel. Spätestens im Juli stehen nämlich wieder Oberhauswahlen an, und welcher LDP-Politiker möchte schon eine zweifelsfreie Wahlniederlage im voraus in seinen Lebenslauf aufnehmen? Nur ein Kamikaze! Es muss ein älterer Herr – mindestens die 70 überschritten – sein, der schon jetzt über seinen Rückzug aus der Tagespolitik nachdenkt.

Der ehemalige Kabinettssprecher Hiromu Nonaka (74), ein Schwergewicht in der LDP, scheint sich als Einziger als Kandidat zu eignen. Er wehrt sich noch mit Händen und Füßen gegen die unehrenvolle Pflicht und winkte erst vor zwei Tagen mit einem klipp und klaren „Kein Interesse!“ ab. Aber außer ihm können selbst gestandene Politikanalytiker in Tokio keinen Nachfolger für Mori ausmachen.

Eines ist darum jetzt schon klar. Falls Mori in den nächsten Tagen aus eigenen Stücken zurücktritt, dann weiß die Welt, dass sein Nachfolger ins Amt gezwungen wurde und wenig Motivation mitbringen wird, grundlegende Reformen anzupacken. ANDRÉ KUNZ

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