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Schöner, sauberer: Mission soll raus

■ Die Bahnhofsmission soll verschwinden, damit Reisende schöner umsteigen können. Der Beirat Mitte protestiert

Unsere Bahnhöfe sollen schöner werden, sauberer und sicherer – sagt die Bahn. Das Umsteigen ein echtes Erlebnis mit angeschlossener Einkaufsgaudi und Nobel-Fressecken. In dieses Konzept passt eine Bahnhofsmission nicht. Deswegen soll die Mission nach dem Umbau des Bremer Hauptbahnhofs keinen Platz mehr in der Tunnelpassage finden.

Eigentlich wollten die Caritas und der Verein für innere Mission an alter Stätte eine neue Form von Ruheraum im Bremer Bahnhof errichten: Wo Reisende einen Moment der Stille finden, ohne Konsumterror, ohne gleich einen Kaffee trinken zu müssen. Dafür ist nach den neusten Plänen der Bahn kein Platz mehr. Stattdessen werden anstelle der alten Mission Geschäfte, Cafés und andere Service-Angebote den BahnkundInnen die Wartezeit versüßen. Schließlich möchte die Bahn ihren Geschäftskunden eine umsatzfördende Lage bieten, wo Reisende vor den „Persönlichkeiten“, die die Bahnhofsmission aufsuchen, den Vorzug haben, erklärte ein Sprecher der Deutschen Bahn AG.

Die Verbände, die die Mission seit 103 Jahren betreuen, arbeiten seit Jahren auf der Grundlage eines Rahmenvertrages mit der Deutschen Bahn zusammen. Dieser sieht allerdings nicht vor, dass die Bahnhofsmission sich auch im Bahnhof befinden muss. Deshalb schlägt die Bahn jetzt einen Standort in unmittelbarer Nähe vor: zum Beispiel im Gebäude der Sparda-Bank, das allerdings auch noch renoviert werden muss. Aber vor den nächsten Verhandlungen, die morgen stattfinden, will sich da keiner festlegen.

Hella Wilkening, Leiterin der Mission, befürchtet allerdings, dass der Reisende den Ort des Zuspruchs nicht mehr findet oder den weiten Weg vom Bahnhof nicht auf sich nehmen will. Bisher sei die Mission, so Wilkening, zwar tatsächlich mehr Anlaufstelle für „diejenigen, die keiner haben will“, aber unter den etwa 80 Personen, die täglich vorbeikommen, seien heute auch Mütter, die ihre Kinder stillen. Oder alte Menschen, die sich von Reisestrapazen erholen wollen.

Wilkening hat Sorge, dass die Mission eines Tages wirklich nur noch für „Randgruppen“ zuständig ist. „Und das wird diese Leute noch mehr ausgrenzen“, bekräftigt auch eine ehrenamtliche Mitarbeiterin des Missions-Teams.

Den Vorwurf, dass die Deutsche Bahn auf diese Weise die Klientel der Mission aus dem Bahnhof verdrängen will, weist ein DB-Sprecher vehement zurück. In Hannover liege die Mission auch hinter dem Bahnhof. „Die Menschen, die die Mission aufsuchen wollen, können so nicht daran gehindert werden durch den Bahnhof zu gehen“, erklärt er. Außerdem sei die Anlaufstelle für alle gut ausgeschildert. Bloß in Bremen war es während den jahrelangen Umbauarbeiten nicht möglich, Schilder, die den Weg zur Behelfs-Mission in Containern weisen, aufzustellen. Versuche der Mission, selbst Wegweiser aufzustellen, wurden von der Bahn unterbunden, sagt eine Mitarbeiterin.

Für Reisende wird es stattdessen in Zukunft – exklusiv! – eine DB-Lounge geben. Zutritt hat nur, wer einen gültigen Fahrschein besitzt.

„Wir sind echt empört“, sagt Ulrike Hiller, Sprecherin des Beirats Mitte. „Das ist eine Ausgrenzungsstrategie der Bahn.“ Einstimmig rief der Beirat nach seiner Sitzung am Montag die Bahn dazu auf, die Mission auch weiterhin innerhalb des Bahnhofs zu beherbergen. „Vielleicht“, so Hiller, „kann die Bahn per Baurecht zum Rückzug gezwungen werden, da es sich schließlich bei der Tunnelpassage um einen öffentlichen Gang handelt.“ VvO

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