: Wieder Schießerei an US-Schule
Ein Fünfzehnjähriger tötet in Kalifornien zwei Mitschüler. Er hatte seine Tat vorher angekündigt, war aber nicht ernst genommen worden. Die Schule hatte vor kurzem ein innovatives Programm zur Konfliktbewältigung eingeführt
aus Washington ELLY JUNGHANS
Die USA sind in ihrem Kampf gegen die Gewalt an den Schulen weit zurückgeworfen worden. Zwei Jahre nach dem Massaker an der Columbine High School in Littleton wurde am Montag eine Oberschule in Kalifornien zum Schauplatz eines neuen Blutbades. Zwei Schüler im Alter von 14 und 15 Jahren kamen bei der Schießerei an der Santana High School in Santee bei San Diego ums Leben. Der 15 Jahre alte Tatverdächtige wird als Erwachsener vor Gericht gestellt.
Was in Santee geschah, erinnerte die entsetzten Fernsehzuschauer an die Serie von Schulmassakern der 90er-Jahre. Der mutmaßliche Täter: ein erst vor kurzem zugezogener Außenseiter, der häufig gehänselt wurde. Der Schauplatz: eine ganz normale Schule in einer überwiegend von Weißen bewohnten Vorstadt. Alarmsignale verhallten wieder ungehört.
Laut Augenzeugen eröffnete Andy Williams in der ersten Pause zunächst in der Schultoilette das Feuer. Dann steckte er den Kopf aus der Tür und feuerte auf die Umstehenden. Als er seine Munition verschossen hatte, ließ er sich widerstandslos festnehmen.
Was der Junge plante, hatte er am Wochenende nicht nur einem Gleichaltrigen, sondern auch einem Erwachsenen angekündigt. Beide glaubten, er mache Witze.
Die Schießerei zeigt, wie durchlässig die Vorsichtsmaßnahmen sind, die viele US-Schulen nach Littleton einführten. Schließlich war die Santana High School bestens vorbereitet – erst vor kurzem hatte sie umgerechnet 180.000 Mark in ein innovatives Programm zur Konfliktbewältigung und ein Kommunikationssystem zur Meldung gewalttätiger Drohungen investiert. „Es klingt so, als hätten sie alles nach dem Lehrbuch gemacht“, sagt June Arnette vom Nationalen Zentrum für Schulsicherheit. Doch letztlich lief nur die Evakuierung der 1.900 Schüler nach Plan.
Staatsanwalt Paul Pfingst kündigte an, er werde Williams wegen Mordes und Schusswaffenbesitzes nach Erwachsenenrecht anklagen. Präsident George W. Bush verurteilte die Tat als „schändlichen Akt der Feigheit“ – und erwähnte die Frage, wie der Junge an den Revolver gekommen sein könnte, mit keinem Wort.
Der Soziologe Robert Winslow könnte am Starrsinn der Waffenfreunde verzweifeln. „Anscheinend haben wir von Paducah oder Jonesboro oder Columbine nichts gelernt“, sagt der emeritierte Professor von der San Diego State University. „In der Welt gab es schon immer unglückliche Jugendliche, aber im Moment unterscheidet uns eins von anderen zivilisierten Ländern: Sie bewaffnen ihre Jugend nicht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen