Neues aus Call-Center-City
: Der Draht läuft heiß

■ Fachtagung zur rasanten Entwicklung der Call-Center-Branche und ihrer Zukunft

„Kein Schwein ruft mich an“ – von solchen Problemen können Call-Center-Mitarbeiter kein Liedchen singen. Eher wie eine idyllische Vision mag es ihnen vorgekommen sein, als sie durch den Hit des Chansonniers Max Raabe auf die Tagung „Kundenorientierung und Arbeitszufriedenheit – (k)ein Widerspruch“ eingestimmt wurden.

Auf Einladung der Arbeitnehmerkammer haben rund 180 ExpertInnen, Arbeitgeber- und ArbeitnehmerInnen zwei Tage lang über die Entwicklung der jungen Branche diskutiert, die gerade in Bremen stark wächst. Für viele Firmen ist es eine verlockende Aussicht, die komplette Kundenbetreuung auszulagern. Für MitarbeiterInnen hingegen bedeutet die monotone Telefonarbeit oft extremen Stress: Sie müssen den ganzen Tag lang freundlich sein und ständig damit rechnen, dass Vorgesetzte mithören. Dieser Dauerdruck macht viele Beschäftigte krank. Doch „Gefährdungsanalysen“ gibt es bisher nur in wenigen Betrieben. Eigentlich ein klassisches Thema für den Betriebsrat – sofern überhaupt schon einer existiert.

In manchen Betrieben ist allerdings die klassische Frontstellung zwischen Betriebsrat und Management schon weitgehend aufgeweicht: „Co-Management“ heißt das nicht von allen Geschäftsführungen gleichermaßen geschätzte Zauberwort, mit dem Arbeitnehmervertreter versuchen, trotz Serviceorientierung Verbesserungen für die Belegschaft zu erreichen. „Dafür müssten wir erstmal gleiche Ressourcen wie die Geschäftsführung haben“, wendet Otmar Dürotin von der Deutschen Postgewerkschaft ein. Dabei sieht er durchaus Möglichkeiten, die tägliche Telefon-Routine zu durchbrechen: Über das Internet könnten die MitarbeiterInnen zwischendurch problemlos auch Briefe beantworten – und würden sich damit Arbeitsplätzen annähern, „die man ein Leben lang ausüben kann.“

Wahrscheinlich wird die gröbste „Fließband“-Arbeit in Call-Centern ohnehin immer weniger: Der Trend geht zu Sprachcomputern; nur für qualifiziertere Dienstleistungen werden weiterhin Menschen gebraucht. Die Arbeitsbedingungen werden sich also weiterhin rasant ändern – schon bisher wird die Lage der Branche je nach Standpunkt entweder mit „Aufbruchstimmung“ oder „Wildwest“ beschrieben.

Zustimmung erntete Rita Linderkamp von der Hamburger „Technologie- und Innovationsberatung für Arbeitnehmer“ für ihre Forderung nach einer „Entschleunigung“. „Die Branche muss sich die Zeit nehmen nachzudenken, wie der Arbeitsplatz in zwei bis drei Jahren aussieht“, empfiehlt auch Unternehmensberaterin Helga Schuler. Ein Anfang ist mit dem Fachkongress gemacht. jank